Gießen. Prost Neujahr! Nein, das Datum stimmt. Zumindest für das Dezernat Oberirdische Gewässer und Hochwasserschutz beim Regierungspräsidium (RP) Gießen. Für sie hat der 1. November eine besondere Bedeutung. An diesem Tag beginnt das hydrologische Jahr 2023. Warum im November? Eine DIN-Norm ist verantwortlich. Diese legt den Zeitraum vom 1. November bis 31. Oktober fest, weil Ende Oktober die Wasserreserven in Deutschland erfahrungsgemäß am geringsten sind. Ein wichtiger Zeitpunkt für die RP-Experten, die sich mit dem der Hydrologie, der Wissenschaft des Wassers, befassen.
„Für uns als Genehmigungsbehörde in zahlreichen Fragestellungen im Wasserrecht bedeutet dies, dass wir ein umfangreiches Netz an hydrologischen Messstellen betreiben“, beschreibt RP-Mitarbeiter Sören Waldeck die Aufgabe seines Dezernats. In dem die fünf mittelhessischen Landkreise umfassenden RP-Bezirk betreuen Waldeck und seine Kollegen insgesamt 54 Messstellen. Diese unterteilen sich in je 27 Pegel- und Niederschlagsmessstellen. Aktuell wurde eine neue Niederschlagsmessstelle in Gladenbach-Runzhausen in Betrieb genommen.
„Den Standort und den Strom für die Messstelle bekommen wir vom Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke auf dem Gelände des dortigen Hochbehälters“, erklärt Waldeck. Diese eigneten sich neben Kläranlagen besonders als Standort für die Apparaturen. Generell orientiere man sich bei der Aufstellung am oberirdischen Einzugsgebiet der Gewässer, und positioniere dort in Absprache mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie die Messstellen. Das Regierungspräsidium sei dann der Betreiber des Messnetzes.
Die erfassten Daten bilden nicht nur eine wichtige Grundlage für die Entscheidung in wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren, sondern liefern auch wertvolle Informationen für die Hochwasservorhersage in Hessen. Hierbei arbeitet das RP Gießen in einem Datenverbund mit dem Deutschen Wetterdienst DWD und beide profitierten von dieser Synergie, etwa für das Hochwasserlagezentrum Lahn ( www.hwlz.deÖffnet sich in einem neuen Fenster), das sich ebenfalls im Regierungspräsidium befindet. Gewonnene Informationen dienen der Oberen Wasserbehörde beim RP Gießen beispielsweise als Grundlage, um die Mengenentnahme aus Fließgewässern zu kalkulieren. Denn im RP-Bezirk gebe es industrielle Betriebe, die ihr Kühlwasser unter anderem aus Fließgewässern beziehen.
Neben Pegelständen ist die Messung von Niederschlag bedeutend. Die Messstelle in Runzhausen kommt derweil eher unscheinbar daher. Neben einer kleinen Metallbox befindet sich ein zylinderförmiger Behälter. Während sich in der Metallbox die Elektronik und die Datenverarbeitung befindet, dient der Zylinder als Auffanggefäß für den Niederschlag. Im Inneren wird das Wasser in einem Becher gesammelt, der im Minutentakt gewogen wird. Stündlich sendet das System die Daten dann zur RP-Datenbank.
Zu statistischen Zwecken werden die Informationen dann weiterverarbeitet. Gleichzeitig ermöglicht die Messung an den Pegel- und Niederschlagsmessstellen eine zeitnahe Erfassung der Ist-Zustände und bildet den Teil einer Grundlage für Hochwasserprognosen, die in einem sogenannten Wasserhaushaltsmodell mit den Vorhersagen der Wetterdienste berechnet werden. Mit diesem Modell lassen sich zudem auch Berechnungen und Vorhersagen für Niedrigwasser-Phasen vornehmen.