Bagger arbeiten auf einer Baustelle.

Enteignungsverfahren und Entschädigungsfestsetzung

Die Enteignungsbehörde greift immer dann ein, wenn ein Grundstück für eine Maßnahme, die dem Allgemeinwohl dient, in Anspruch genommen werden soll und zwischen Vorhabensträger und Eigentümer/Besitzer keine Einigung erzielt werden kann.

Themen

Die Enteignungsbehörde – Wofür sind wir zuständig?

Die Enteignungsbehörde ist zuständig für die Durchführung von

─ Enteignungsverfahren
─ Besitzeinweisungsverfahren
─ Entschädigungsfestsetzungsverfahren

nach dem Baugesetzbuch, dem Landbeschaffungsgesetz sowie nach dem Hessischen Enteignungs- und Entschädigungsgesetz in Verbindung mit Spezialgesetzen (wie z. B. den Straßengesetzen oder dem Energiewirtschaftsgesetz).

Welche Stellung hat die Enteignungsbehörde im Verfahren?

Die Maxime der Enteignungsbehörde ist darauf gerichtet, den Hoheitsakt zu vermeiden und zwischen den Parteien mit dem Ziel einer gütlichen Einigung zu vermitteln (Besitzeinweisung und Enteignung sind ultima ratio).

Dieser Aufgabe kommen wir nach, indem wir uns im Rahmen informeller Gespräche, aber auch im förmlichen Verfahren mit den Beteiligten an einen Tisch setzen, informieren und einvernehmliche Lösungen ausloten.

Die Enteignungsbehörde ist heute Konfliktmoderatorin und arbeitet - ähnlich einem Gericht - weisungsfrei. Sie nimmt in den Verfahren stets eine neutrale Position ein und versteht sich nicht als verlängerter Arm des jeweiligen Projektträgers.

Die Bindung an Planfeststellungsbeschlüsse oder Bebauungspläne hindert die Enteignungsbehörde nicht, zwischen den konkurrierenden Interessen zu vermitteln und insbesondere für eine angemessene und gerechte Entschädigung der Betroffenen zu sorgen.

Enteignung – Was ist das?

Bei vielen öffentlichen Aufgaben, wie z. B. dem Bau von Straßen, Schienen, Flughäfen, Energieversorgungsleitungen, Abwasser- und Abfallanlagen oder der Städtebauplanung werden zur Durchführung der Maßnahme private Grundstücke benötigt. Nicht immer sind die jeweiligen Eigentümer dazu bereit ihr Privateigentum bzw. ihre Rechte zu den angebotenen Bedingungen abzugeben. Auch Rechte Dritter, wie Miet- oder Pachtrechte, Wegerechte oder Altenteilsrechte können von der Maßnahme betroffen sein. Ist eine einvernehmliche Regelung nicht möglich und droht das geplante Vorhaben deshalb zu scheitern, sehen verschiedene Gesetze die Möglichkeit einer Enteignung vor. Enteignung bedeutet dabei verkürzt ausgedrückt den Entzug oder die Belastung des Eigentums oder eines anderen Rechts an einem Grundstück vor.

Durch eine Enteignung wird in das Grundrecht auf Eigentum eingegriffen, das durch Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich geschützt ist. Allerdings wird dem Eigentum im Absatz 2 dieses Grundrechtes auch eine soziale Verpflichtung zugewiesen, indem es dort heißt:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Allgemeinwohl dienen.“

Dahinter steht der Gedanke der Sozialbindung des Eigentums, das Gemeinnutz über Eigennutz geht. Artikel 14 Absatz 3 GG lässt daher unter bestimmten Voraussetzungen den Eingriff in das Eigentum zu, wenn

─ die Enteignung dem Wohl der Allgemeinheit dient,
─ sie gegen eine angemessene Entschädigung erfolgt und
─ die Enteignung in einem Gesetz zugelassen ist, dass Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.

Vorzeitige Besitzeinweisung – Was ist das?

Eine Besonderheit des Enteignungsrechts ist die „vorzeitige Besitzeinweisung“ bei eilbedürftigen Maßnahmen.

Das Enteignungsverfahren dauert in der Regel längere Zeit. Es gibt aber Maßnahmen, die aus Gründen des Allgemeinwohls derart dringlich sind, dass der Abschluss eines Enteignungsverfahrens nicht abgewartet werden kann. Für solche Fälle gibt es das Instrument der “vorzeitigen Besitzeinweisung“, das dem Enteignungsverfahren vorgeschaltet wird. Wie der Begriff es schon zum Ausdruck bringt, geht es hier lediglich um den Besitz, nicht um das Eigentum an einem Grundstück. Liegen die Voraussetzungen vor, wird der Projektträger vorzeitig in den Besitz der benötigten Flächen eingewiesen. Damit kann er mit den Baumaßnahmen beginnen, ohne das Eigentum oder eine entsprechende Grunddienstbarkeit erlangt zu haben. Eine Besitzeinweisung ist auch für einen Arbeitsstreifen, der nur vorübergehend gebraucht wird, möglich.

Sollte es in der Folgezeit keine Einigung über den Eigentumsübergang oder die Belastung des Grundstücks geben, schließt sich ein Enteignungsverfahren noch an.

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat die Enteignungsbehörde kein Ermessen, sondern muss den Antragsteller in den Besitz der benötigten Flächen einweisen.

Der Besitzeinweisungsbeschluss legt den Zeitpunkt fest, in dem der Besitz auf den Projektträger übergeht.

Der Beschluss kann im öffentlichen Interesse für sofort vollziehbar erklärt werden. Dies ist für die Mehrheit der Beschlüsse jedoch nicht mehr erforderlich, da Rechtsbehelfe hiergegen bereits kraft gesetzlicher Regelung in den meisten Spezialgesetzen keine aufschiebende Wirkung haben.

Ab dem Wirksamwerden der Besitzeinweisung setzt die Verzinsung des Entschädigungsanspruches ein.

Der Besitzeinweisungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt, der gerichtlich überprüft werden kann.

Entschädigung bei vorzeitiger Besitzeinweisung

Sollten aus der Besitzübergabe Vermögensnachteile entstehen, so sind diese zu entschädigen, soweit die Nachteile nicht durch die Verzinsung der Geldentschädigung für die Entziehung oder Belastung des Eigentums oder eines anderen Rechts ausgeglichen werden. Die Verzinsung der Entschädigung erfolgt ab dem Zeitpunkt der Besitzeinweisung und beträgt jährlich 2 v.H. über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank. Sie ist der Ausgleich dafür, dass die Nutzung des Grundstücks nicht mehr, die Entschädigungssumme aber noch nicht zur Verfügung steht.

Weitere Vermögensnachteile, wie Ernteausfälle, Aufwuchsschäden etc. werden gesondert entschädigt.

Bei einem vermieteten oder verpachteten Grundstück, in dessen Besitz eingewiesen wird, steht auch den Mietern bzw. Pächtern eine Besitzeinweisungsentschädigung zu.

Ein Enteignungsverfahren muss nicht immer den Entzug zum Ziel haben, in bestimmten Fällen reicht auch die dingliche Sicherung im Grundbuch aus. Dies ist z. B. bei Überspannungen mit Stromleitungen oder Untertunnelungen von Grundstücken der Fall. Dabei ist lediglich sicherzustellen, dass das Recht, diese Inanspruchnahme eines Grundstücks auf Dauer vornehmen zu dürfen, im Grundbuch gesichert wird. Entschädigt wird in diesen Fällen der Wertverlust, den ein Grundstück wegen der Belastung erfährt.

Im Übrigen gelten für diese Verfahren die Regelungen, die auch beim Entzug von Eigentum zu beachten sind.

Entschädigungsfestsetzungsverfahren (außerhalb der förmlichen Enteignung) 

Manchmal sind die Grundstückseigentümer grundsätzlich zum Verkauf der benötigten Fläche oder zur Belastung des Eigentums bereit, die Beteiligten können sich jedoch nicht über den Preis einig werden.

In diesen Fällen kann ein Notarvertrag geschlossen werden, der die Höhe des Kaufpreises und weiterer Ansprüche offen lässt (i. d. R. Vorabvertrag, in dem sich die Eigentümer unter Entschädigungsvorbehalt zur Eigentumsübertragung oder -belastung verpflichten u. dabei zugleich Bauerlaubnis erteilen). Die Frage der endgültigen Entschädigungshöhe wird dann im Rahmen eines separaten Entschädigungsfestsetzungsverfahrens durch die Enteignungsbehörde geklärt.

Die Regelung einzelner Entschädigungspositionen im Notarvertrag steht der Einleitung eines Entschädigungsfestsetzungsverfahrens nicht entgegen - die Enteignungsbehörde regelt dann nur noch die strittig verbliebenen Fragen.

Bei der Entschädigungsermittlung gelten die gleichen Grundsätze, die auch in einem Enteignungsverfahren angewandt werden.

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