Gießen. Während der Jahreswechsel noch einige Wochen bis nach Weihnachten auf sich warten lässt, feiern Hydrologen bereits am 1. November ihren beruflichen Jahreswechsel. Verantwortlich hierfür ist die nüchterne DIN-Norm 4049-1. Diese legt den Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Oktober als „hydrologisches Jahr“ fest. Hintergrund ist die Tatsache, dass Ende Oktober die Wasserreserven in Deutschland üblicherweise am geringsten sind. Im Regierungspräsidium Gießen befindet sich die Obere Wasserbehörde, zu der auch das Hochwasserlagezentrum Lahn zählt. Kein Wunder, dass die Gewässer-Experten im RP das Thema Wasser intensiv beschäftigt, wie ein aktueller Einblick in Mittelhessen zeigt.
„Insbesondere im Grundwasser ist dieser charakteristische Jahresgang im Wasserhaushalt erkennbar.“ Das berichtet Gabriele Schramm, Leiterin des Dezernats Oberirdische Gewässer und Hochwasserschutz beim RP Gießen. Im hydrologischen Winterhalbjahr von November bis April füllen sich die Grundwasserspeicher in der Regel auf. „Voraussetzung hierfür ist selbstverständlich Regen.“ Im zurückliegenden Winterhalbjahr fiel mit 495 mm überdurchschnittlich viel Niederschlag. Das ist mehr als ein Drittel (38 Prozent) mehr, als in der Referenzperiode von 1991 bis 2000.
Das Regierungspräsidium Gießen betreibt in seinem Dienstbezirk ein Messnetz mit 135 Grundwassermessstellen. Mehr als 30 dieser Messstellen sind mit automatisch aufzeichnenden Datensammlern ausgestattet. Ist an der Messstelle eine Mobilfunkversorgung gewährleistet, sind die Datensammler zusätzlich mit einer Datenfernübertragung ausgerüstet, um aktuelle Informationen zum Grundwasserstand zu erhalten.
Wegen des jüngsten regenreichen Winters zeigen auch die Grundwassermessstellen im Regierungsbezirk Gießen steigende Grundwasserstände an. So lagen diese am Ende des hydrologischen Winterhalbjahres am 1. Mai in etwa 85 Prozent der Messstellen auf einem höheren Niveau als noch vor einem Jahr.
„Das war eine perfekte Ausgangssituation für das jetzt abgelaufene hydrologische Sommerhalbjahr, das durch hohe Temperaturen und die starke Vegetation normalerweise von sinkenden Grundwasserständen geprägt ist“, erläutert Sören Waldeck aus dem RP-Dezernat Oberirdische Gewässer und Hochwasserschutz. Bei wassergesättigten Böden und höheren Niederschlagsmengen kann allerdings auch im Sommerhalbjahr eine, wenn auch geringe, Grundwasserneubildung stattfinden. Im zurückliegenden hydrologischen Sommerhalbjahr lagen die gemessenen Niederschlagsmengen mit 435 mm um fast 30 Prozent höher als im langjährigen Mittel von 1991 bis 2000, was die positive Entwicklung bei den Grundwasserständen somit ebenfalls begünstigt hat.