Regionalplan-Entwurf

Regierungspräsidium Gießen

Wie es jetzt weitergeht

Regionalplan Mittelhessen: Rund 2.000 Stellungnahmen haben die Obere Landesplanungsbehörde beim RP Gießen über den Postweg, per E-Mail oder erstmals auch über eine digitale Beteiligungsplattform erreicht

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Gießen/Mittelhessen. Der Regionalplan Mittelhessen wird derzeit neu aufgestellt. Er gibt Antworten auf Fragen wie: Wo können Industrie- und Gewerbegebiete entstehen und wo kann eine größere Anzahl Wohnhäuser gebaut werden? Welche Flächen stehen für den Abbau von Rohstoffen zur Verfügung oder wo hat der Hochwasserschutz Vorrang? Federführend ist die Obere Landesplanungsbehörde beim Regierungspräsidium (RP) Gießen als Geschäftsstelle der Regionalversammlung Mittelhessen. Viele Beratungen haben stattgefunden und auch die 101 betroffenen Städte und Gemeinden sind frühzeitig eingebunden worden. Zuletzt ist der beschlossene Planentwurf bis Mitte März offengelegt worden. Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich zieht nach einer ersten Sichtung eine Zwischenbilanz: „Wir haben derzeit mehr als 2.000 Stellungnahmen erhalten.“ Die werden in den kommenden Wochen ausgewertet. „Jetzt schon wird aber deutlich, dass es unterschiedlichste Wünsche gibt, die wir nun zusammen mit der Regionalversammlung ausbalancieren müssen. Das ist unsere wichtigste Herausforderung und Kernaufgabe zugleich.“

 

Die hohe Zahl kann nicht verwundern, erstreckt sich der mittelhessische RP-Bezirk doch auf die fünf Landkreise und Distanzen zwischen Limburg und Schlitz in der Ost-West-Richtung sowie zwischen Münchhausen und Hungen von Norden nach Süden. „Die Stellungnahmen konnten erstmals auf drei Wegen abgegeben werden, per Post, über E-Mail und erstmals auf unserer digitalen Beteiligungsplattform“, führt RP Ullrich weiter aus. Rund ein Drittel der Stellungnahmen sind über die Plattform eingereicht worden. Inhaltlich weisen sie eine große Bandbreite auf, wie der zuständige Dezernatsleiter Dr. Ivo Gerhards berichtet: „Es überwiegen Anträge, die sich auf bestimmte Gebiete beziehen.“ Zumeist geht es um geplante Wohnbauflächen, Industrie- bzw. Gewerbeflächen oder Abbauflächen. „Oft werden aus der Bürgerschaft und von Ortsbeiräten einzelne Planungsflächen abgelehnt.“ Was wiederum vielfach im Widerspruch zu den Vorstellungen von Magistrat oder Gemeindevorstand bzw. zur mehrheitlichen Position in der jeweiligen Stadtverordnetenversammlung oder Gemeindevertretung steht.

 

„Es gibt einzelne Gebiete, zu denen besonders viele Stellungnahmen eingegangen sind“, geht der Dezernatsleiter ins Detail. Hierzu zählen etwa geplante Siedlungs- und Gewerbeflächen in Marburg, Weimar, Wetzlar, Limburg und Hungen sowie geplante Abbauflächen in den Landkreisen Limburg-Weilburg und Marburg-Biedenkopf. Die Mehrzahl der Kommunen beklagt, der Regionalplanentwurf schränke ihre Entwicklungsmöglichkeiten bzw. die kommunale Planungshoheit zu sehr ein. Deshalb wird mehr Fläche für Wohnen sowie Industrie und Gewerbe gefordert. In diesem Zusammenhang wird oft kritisiert, dass die dem Wohnsiedlungsflächenbedarf zugrundeliegende Bevölkerungsprognose von einem zu geringen Wachstum ausgehe. Ortsränder sollten grundsätzlich für die bauliche Erweiterung der Ortslage geöffnet werden.

 

„Demgegenüber stehen sehr viele Stellungnahmen, die eine weitere Inanspruchnahme von bisher unbebauten und nicht versiegelten Flächen – sogenannter Freiraum – nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich ablehnen“, erläutert Ivo Gerhards weiter. Hintergrund sind der in großen Teilen der Region zu erwartende Bevölkerungsrückgang sowie die Anforderungen von Nachhaltigkeit, Sicherung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion, Klimawandel und Mobilitätswende. Einige Stellungnahmen machen sehr konkrete Vorschläge für regionalplanerische Vorgaben zur Vorbereitung der Mobilitätswende, insbesondere beim Schienenverkehr.

 

Viele Stellungnahmen thematisieren auch die künftige Entwicklung des Freiraums, lautet eine weitere Erkenntnis. Im Vergleich zum noch aktuellen Regionalplan 2010 wird kritisiert: der Rückgang der Vorranggebiete Landwirtschaft und die, nicht damit im Zusammenhang stehende, Zunahme der Vorranggebiete für Natur und Landschaft. Bedenken werden auch gegen bestimmte Aufforstungsflächen (Vorbehaltsgebiete Forstwirtschaft) erhoben. Umgekehrt wird gefordert, weitere Gebiete als Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebiete für Natur und Landschaft – und damit für den überörtlichen Biotopverbund – auszuweisen. Das Gleiche gilt bei Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebieten für besondere Klimafunktionen zur Sicherung der Kalt- und Frischluftzufuhr für Ortslagen. Auch Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie bzw. der Teilregionalplan Energie Mittelhessen werden in einigen Stellungnahmen thematisiert, wobei das Thema Energie im aktuellen Planentwurf weitestgehend ausgespart ist, da der Teilregionalplan Energie 2016/2020 gar nicht zur Disposition steht.

 

Formal haben die Stellungnahmen einen sehr unterschiedlichen Umfang. „Manchmal wird nur ein einziger sogenannter Antrag gestellt“, berichtet Ivo Gerhards. Das heißt, es wird zum Beispiel eine bestimmte Planungsfläche abgelehnt. Oft besteht eine Stellungnahme aus mehreren, in einzelnen Fällen bis zu etwa 100 Anträgen. „Das ist besonders bei Kommunen oder Behörden der Fall.“ Dann werden unterschiedliche Aspekte benannt oder es wird auf mehrere Inhalte des Regionalplanentwurfs Bezug genommen. Viele Kommunen haben sich von den gleichen Planungsbüros beraten lassen. Insofern sind viele Stellungnahmen von Gemeinden in ihrem Tenor ähnlich. Ebenso gibt es viele gleichlautende Forderungen von Bürgerinnen und Bürgern. Unterschriftenlisten, die sich alle auf einen oder mehrere gleichlautende Anträge beziehen, werden übrigens als eine einzige Stellungnahme gezählt. Damit wird deutlich: es kommt weniger auf die Anzahl der Stellungnahmen bzw. Stellungnehmenden an, die ein bestimmtes Anliegen haben. „Entscheidend sind vielmehr die Art, die Vielzahl und letztlich das Gewicht der vorgetragenen Argumente“, sagt der Dezernatsleiter abschließend.

 

Wie sind die Kommunen bislang eingebunden worden und was ist künftig vorgesehen?
 

  • Eine erste Gemeindebefragung fand im Jahr 2018 statt. Zum 31.01.2019 lagen von allen 101 mittelhessischen Kommunen Antworten vor. Es kann und muss davon ausgegangen werden, dass sich zwischenzeitlich die Planungsziele der Kommunen teilweise verändert haben. Mit Kommunen vereinzelt geführte Gespräche deuten darauf hin.
  • Ende November / Anfang Dezember 2021 haben landkreisbezogene Informationsveranstaltungen zu wichtigen Inhalten des Entwurfs des Regionalplans Mittelhessen und zum Beteiligungsverfahren stattgefunden. Dazu waren die Spitzen der Kommunen und der Planungsämter aller mittelhessischen Kommunen und Landkreise eingeladen.
  • Um zu vermeiden, dass im Rahmen einer erneuten Beteiligung zahlreiche, grundlegende Änderungswünsche der Kommunen vorgetragen werden, soll in Abhängigkeit von den Stellungnahmen ein Schwerpunkt darauf gelegt werden, Kommunen bei der Behandlung der vorliegenden Anträge bedarfsorientiert einzubinden. Dies kann etwa über Gespräche mit den Kommunen erfolgen. Der höhere Zeitaufwand wird aber mit dem Verständnis für den Planungsprozess und die Akzeptanz der Festlegungen belohnt werden.

 

Wie geht es nach der Offenlegung weiter?

 

  • Die Obere Landesplanungsbehörde wird in den kommenden Wochen alle Stellungnahmen auswerten und zunächst nach separaten Anträgen gliedern. Jede einzelne Forderung, etwas am Planentwurf, d.h. den Texten oder Karten, zu ändern, wird als Antrag mit Antragsziel und -begründung behandelt. Die Anträge können nach den Kapiteln des Planentwurfs und/oder nach ihrem Ortsbezug sortiert werden.
  • Alle Anträge werden fachlich beurteilt und jeweils ein Beschlussvorschlag formuliert, wie dieser Antrag im Einzelnen berücksichtigt werden sollte.
  • Dies wird dann in den zuständigen Ausschüssen der Regionalversammlung beraten und letztlich von der Regionalversammlung entschieden. Grundsätzlich kann dazu über jeden Antrag einzeln beraten und beschlossen werden. In der Regel werden herausgehobene, z.B. besonders konfliktträchtige oder umstrittene, Festlegungen (z.B. vorgesehene neue Siedlungsflächen) vertieft erörtert.
  • Die Obere Landesplanungsbehörde beim RP Gießen geht davon aus, dass aufgrund vorzunehmender Änderungen am Planentwurf eine erneute Beteiligung erforderlich wird.
  • Der weitere, zeitliche Ablauf ist noch nicht genau absehbar. Angesichts der Vielzahl an oft komplexen Stellungnahmen werden für die Vorbereitung der oben genannten Beschlussvorlagen zur Beratung in den Ausschüssen einige Monate benötigt. Insofern wird eine erneute Beteiligung mit Offenlage der Unterlagen nicht mehr in diesem Jahr stattfinden.
  • Ziel ist es, den Plan nach einer zweiten Beteiligung von der Regionalversammlung zur Genehmigung durch die Landesregierung beschließen zu lassen. Wann das sein kann, ist völlig offen.

 

Zur Steuerungswirkung des Regionalplans

 

  • Die Festlegungen des Regionalplans beeinflussen in erster Linie die Kommunen und Fachbehörden bei ihren Planungen und Vorhaben. Dabei ist zwischen „Zielen“ und „Grundsätzen“ zu unterscheiden.
  • „Ziele“ lösen eine strikte Beachtenspflicht aus, können aber in einem engen Rahmen konkretisiert werden.
  • Dagegen sind „Grundsätze“ in Planungs- und Zulassungsverfahren lediglich zu berücksichtigen. Sofern gewichtige Gründe vorliegen, dürfen sie im Zuge einer Abwägung überwunden werden. Das bedeutet, dass in begründeten Fällen von der mit dem Grundsatz verbundenen Intention des Regionalplans abgewichen werden kann.
  • Eine strikt einzuhaltende Vorgabe ist insbesondere der je Kommune festgelegte maximale Wohnsiedlungs- und Gewerbeflächenbedarf. Allerdings gibt es, im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, keine Verpflichtung, diesen Bedarf während der Laufzeit des Regionalplans vollständig auszuschöpfen.
  • Hier und bei anderen Festlegungen ist der Regionalplan also nur eine „Angebotsplanung“. Um den Kommunen Spielraum für ihre Entwicklung zu geben, werden in der Regionalplankarte deutlich mehr Gebiete festgelegt, die für eine Entwicklung von wohnbaulicher oder gewerblicher Nutzung in Frage kommen, als in der Summe der maximale Bedarf zulässt.
  • Mit seinen Vorranggebietsfestlegungen für Raumnutzungen und -funktionen im Freiraum schließt der Regionalplan allerdings auch entgegenstehende Nutzungen aus. Das betrifft z.B. die Vorranggebiete für Landwirtschaft, für Natur und Landschaft und für vorbeugenden Hochwasserschutz oder die Vorranggebiete Regionaler Grünzug. Das bedeutet, dass in diesen Vorranggebieten, die die Wirkung von Zielen haben, beispielsweise eine Siedlungsentwicklung oder auch der Abbau von Rohstoffen nicht zulässig ist.

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