Gießen. Die meisten Nutztiere sind Meister darin, mit unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen zurechtzukommen – vorausgesetzt natürlich, sie sind gesund und haben eine gute Kondition. Pferden beispielsweise machen große Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht nichts aus und Wiederkäuer fühlen sich erst bei vier Grad Celsius so richtig wohl. Doch zwei Sachen mögen alle Tiere nicht: Wind und Nässe. „Wer die Tiere auch im Winter auf der Weide hält, selbst wenn es nur tageweise ist, sollte einiges beachten“, sagt der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich. Prof. Sibylle Wenzel, Fachtierärztin für Tierschutz im Dezernat für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Regierungspräsidiums Gießen, gibt Tipps, worauf Halterinnen und Halter achten müssen, damit es ihren Tieren gut geht.
„Die ganzjährige Weidehaltung kann bei gutem Management die tierschutzgerechteste Haltungsform darstellen und hilft in besonderem Maße, die Bedürfnisse der Tiere nach ausreichend Sozialkontakt, Bewegung und frischer Luft zu erfüllen“, betont Wenzel, selbst Tierhalterin. Doch so schön das im Winter ist: Es reicht nicht aus, die Tiere – mindestens zwei pro Art – einfach auf eine umzäunte Weide zu stellen. Je mehr Zeit sie dort verbringen, desto wichtiger ist ein geeigneter Schutz vor Wind und Nässe.
Werden Tiere durchgängig auf der Weide gehalten, so ist ein Witterungsschutz unerlässlich. „In der Regel sollte es sich hierbei um eine stationäre oder mobile Hütte handeln, die groß genug ist, dass sich alle Tiere der Herde dort unterstellen und eine trockene, weiche und wärmeisolierende Liegefläche aufsuchen können“, rät die Fachtierärztin. In trockenen Perioden könnten gegebenenfalls Hecken oder Tannen die Anforderungen erfüllen, Laubbäume im Winter aber nicht. Doch bevor eine Hütte errichtet oder aufgestellt wird, sollten sich die Halter bei der Unteren Naturschutzbehörde oder aber der jeweiligen Kommune schlau machen, was an dieser Stelle erlaubt ist und was nicht.
Weitläufige Weidefläche
Wichtig sei auch, dass die Weidefläche weitläufig genug ist, damit die Tiere besonders verschlammten Stellen ausweichen können. Denn je matschiger die Fläche, desto größer ist die Gefahr, dass sie tief einsinken, das Fell nass und schmutzig wird und damit nicht mehr ausreichend isolieren kann. Um das an häufig genutzten Stellen, etwa rund um die Fressstelle, zu verhindern, hilft eine Befestigung um die Raufe herum oder ein regelmäßiges Versetzen derselben, weiß die Expertin.
Apropos Futter: Wenn der natürliche Bewuchs nicht ausreicht, muss genügend gutes Futter angeboten werden, an das alle Tiere gelangen können. Auch die Wasserversorgung muss sichergestellt werden. „Dies stellt gerade dann eine große Herausforderung dar, wenn die Temperaturen längerfristig unter den Gefrierpunkt fallen und das Wasser auf der Weide einfriert. Oder wenn die Zufahrt zu den Weiden bei nasser Witterung schwierig ist“, sagt Prof. Sibylle Wenzel.
Unerlässlich ist es, jeden Tag bei seinen Tieren nach dem Rechten zu sehen – und das nicht nur im Winter. In der kalten Jahreszeit kommt allerdings erschwerend hinzu, dass die Tage kurz sind und die Halter gerade bei anderweitiger Berufstätigkeit unter der Woche häufig nur im Dunkeln auf der Weide sind. „Auch das ist von Haltern zu bedenken, wenn sie eine Weidehaltung im Winter beabsichtigen. Gelingt es jedoch, die Bedürfnisse der Tiere zu erfüllen, dann stellt die Weidehaltung auch im Winter mit Abstand die tierschutzkonformste Haltung dar und ist ein wahrer Zugewinn sowohl für den Menschen als auch für die Tiere“, betont die Fachtierärztin.
Hilfestellung für den tierschutzkonformen Umgang mit Tieren auf der Weide geben das Tierschutzgesetz, die Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung und diverse Leitlinien zur Haltung von Tieren. Weitere Informationen gibt es auch bei den Fachleuten des Regierungspräsidiums ( veterinaer@rpgi.hessen.de) oder bei den Veterinärämtern der Landkreise.