Gießen/Neu-Isenburg. Eine Lampe, Einmalhandschuhe, eine Lupe mit zehnfacher Vergrößerung, ein Tablet und – ganz besonders wichtig – ein geschultes Auge: Das alles ist unabdingbar, wenn Andreas Scharnhorst und seine Kolleginnen und Kollegen vom Pflanzenschutzdienst des Regierungspräsidiums Gießen ihrer Arbeit nachgehen. Jetzt, kurz vor dem Valentinstag am 14. Februar, ist wieder Hochsaison. Sowohl bei dem 16-köpfigen Team also auch bei Importeuren. Millionen Schnittblumen werden am Frankfurter Flughafen abgefertigt. Da heißt es: Kontrollieren, kontrollieren und kontrollieren, um zu verhindern, dass Pflanzenschädlinge eingeschleppt werden. Denn sie können hierzulande großen Schaden anrichten. „Alles in allem kommen wir wieder auf über 12,3 Millionen Rosen plus sechs Millionen andere Schnittblumen und Bindegrün, die in den beiden Wochen vor dem Valentinstag von uns überprüft wurden“, sagt Andreas Scharnhorst, Leiter der Grenzkontrollstelle am Flughafen. Für die beliebten Blumen gilt eine Beschaupflicht – und damit muss jede Sendung im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe genommen werden.
Heute ist Scharnhorsts Fachwissen allerdings nicht am Flughafen gefragt, sondern bei Omniflora in Neu-Isenburg. Das Unternehmen beliefert Großhändler und Supermärkte mit Rosen, anderen Blumen und Sträußen und ist neben dem Flughafen der einzige genehmigte Ort in Hessen, über den Blumen importiert werden. In der Regel sind das rund zwei Millionen im Monat, vor dem Valentinstag und dem Muttertag deutlich mehr. „90 Prozent davon sind Rosen“, berichtet Siamak Mirnia, zuständig für die Bereiche Zoll und Warenbeschaffung. Und damit ist Andreas Scharnhorst in der Regel ein Mal im Monat vor Ort. Von den übrigen Sendungen werden Unterlagen und einzelne Pflanzen zum Flughafen gebracht und dort gesichtet beziehungs-weise untersucht.
Ausschau nach dem Heerwurm
422 große Kartons mit rund 40.000 Rosen und Beiwerk erreichen das Unternehmen an diesem frühen Morgen. Zunächst waren sie per Flugzeug von Kenia nach Lüttich in Belgien gebracht worden, dann ging es mit dem Lkw weiter. Die Fracht kommt so an, wie sie auch im Flugzeug verladen war, sprich auf großen Paletten und gut verschnürt. Andreas Scharnhorst pickt sich einzelne Kartons heraus, manche mit Rosen, einige mit kleinen Gebinden und Beiwerk. Routiniert geht er ans Werk, kontrolliert die zugehörigen Dokumente, schaut sich die Blumen stichprobenartig an. Wonach er Ausschau hält? „Zum Beispiel nach dem Heerwurm“, erklärt der Pflanzenschützer. Ein Befall wäre an dicken Löchern zu erkennen, die das Tier hineingefressen hat. „Der Heerwurm hat eine extrem hohe Vermehrungsrate, daher auch der Name. Er hat innerhalb von zehn Jahren ganz Afrika besiedelt. Bei uns in Deutschland würde er besonders am Mais große Schäden verursachen.“
Ganz allgemein schaut Andreas Scharnhorst, ob an den Pflanzen, insbesondere an den Blättern, irgendetwas kreucht und fleucht. Würmer, Thripse oder Käfer beispielsweise. Findet er durch Mehltau oder Rost geschädigte Stellen, schaut er umso genauer hin. Doch an diesem Morgen findet er nichts, das ihn beunruhigt oder gar näher untersucht werden muss. Das Gemeinsame Gesundheitsdokument zur Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen, kurz GGED-PP, kann er für diese Sendung getrost ausstellen. Jetzt kann die Ware verzollt werden – und dann stehen auch schon die Mitarbeiter von Omniflora parat. Bereits am nächsten Tag, spätestens am übernächsten, landen die Blumen bei Großhändlern und in Supermärkten.
Zum Glück finden die Pflanzenschützerinnen und -schützer nur selten Schädlinge. Das liegt auch daran, dass der Pflanzenschutz kein typisch deutsches Thema ist. „Das fängt schon in den Herkunftsländern an“, weiß Scharnhorst, der bereits eine Rosenfarm in Kenia besucht hat. In den dortigen riesigen Gewächshäusern finden sich beispielsweise Klebefallen, die regelmäßig inspiziert werden. Gegebenenfalls werden die Pflanzen behandelt, bevor sie abgeschnitten, verpackt und gut gekühlt per Flugzeug oder Schiff in andere Länder gebracht werden – und den Beschenkten nicht nur zum Valentinstag eine Freude machen.
Stichwort: Hessischer Pflanzenschutzdienst
Pflanzenschädlinge können hierzulande in der Natur, aber auch an Nahrungspflanzen und damit letztlich wirtschaftlich massiven Schaden anrichten. Um das Risiko schädlicher „Beifracht“ zu minimieren, werden Blumen, Obst und Gemüse aus Drittländern vom Hessischen Pflanzenschutzdienst, angesiedelt beim Regierungspräsidium Gießen, untersucht. Das geschieht entweder stichprobenartig oder im Falle einer sogenannten Beschaupflicht bei jeder Sendung.
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