Grafik mit Foto von einer Baustelle und der Info, dass die Arbeitsschützer des RP 278 Arbeitsunfälle einer vertieften Untersuchung unterzogen haben

Regierungspräsidium Gießen

Abstürze sind eine häufige Ursache für schwere Arbeitsunfälle

278 Vorfälle haben die Arbeitsschützer des RP Gießen im Jahr 2022 einer vertieften Untersuchung unterzogen – Absturzsicherung Schwerpunktthema bei Messe vom 3. bis 5. Februar in Marburg

Gießen. In den Bauberufen ist das Risiko, sich bei der Arbeit zu verletzen, am höchsten. Kein Wunder, lauern doch gerade auf Baustellen etliche Gefahren. Stürze aus mehreren Metern Höhe sind keine Seltenheit – und in Mittelhessen eine häufige Ursache für schwere Arbeitsunfälle. Das zeigen die Zahlen und Erfahrungen aus dem Arbeitsschutz-Dezernat des Regierungspräsidiums Gießen. Oftmals sind die Absturzsicherungen unzureichend oder fehlen sogar gänzlich, wie die RP-Beschäftigten bei ihren Kontrollen oder nach Unfällen feststellen. „Baustellen ohne Mängel sind eine Seltenheit. Umso wichtiger ist es, hier und natürlich in allen anderen Branchen immer wieder auf das Thema Arbeitsschutz hinzuweisen. Viele Unfälle könnten vermieden werden, wenn die Vorgaben eingehalten werden“, ist Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich überzeugt.

Im Aufsichtsbezirk der Gießener Behörde sind circa 430.000 Menschen in den unterschiedlichsten Arbeitsgebieten beschäftigt. Alleine im vergangenen Jahr wurden dem Regierungspräsidium mehr als 3.550 Arbeitsunfälle gemeldet. 278 davon waren so schwerwiegend oder traten auffällig gehäuft in bestimmten Bereichen auf, dass sie von den Experten vor Ort umfassend untersucht wurden.

„Die tatsächliche Anzahl der Arbeitsunfälle ist sicher höher“, vermutet Dezernatsleiterin Dr. Hilde Weigand. Denn die Betriebe melden entsprechende Vorfälle den Unfallversicherungsträgern, aber nicht automatisch auch der Behörde. Fest steht jedoch: In allen der mehr als 3.550 gemeldeten Fälle gab es Verletzte, die mehr als drei Tage arbeitsunfähig waren. In vier Fällen endete das Ganze sogar tödlich. Nach den Untersuchungen der Unfallversicherungsträger sind die häufigsten Ursachen bei den schweren Unfällen: Die Beschäftigten stürzen ab, stolpern oder rutschen aus. Hinzu kommt die falsche Handhabung von Maschinen – insbesondere bei der Beseitigung von Störungen, bei Wartung, Reparatur und Reinigung. Unfälle mit Fahrzeugen treten ebenfalls häufiger auf.

Bei Arbeiten, die nur kurze Zeit in Anspruch nehmen, wird oftmals gerne auf die Absturzsicherung verzichtet. Die Folgen sind manchmal fatal.

Dr. Hilde Weigand Arbeitsschützerin und Dezernatsleiterin

Auf Baustellen wird bereits seit einiger Zeit vermehrt festgestellt, dass entgegen jeglicher Vorgaben keine Gerüste oder andere Absturzsicherungen aufgebaut beziehungsweise angebracht werden. „Das hat in der Regel mit dem Zeitdruck auf den Baustellen zu tun. Das Aufstellen des Gerüsts kostet natürlich darüber hinaus auch Geld. Bei Arbeiten, die nur kurze Zeit in Anspruch nehmen, wird oftmals gerne auf die Absturzsicherung verzichtet. Die Folgen sind manchmal fatal“, betont Dr. Hilde Weigand besonders mit Blick auf die tödlichen Unfälle. Denn bei drei davon lautete die Ursache: Absturz. „Alle diese Unfälle hätten vermieden werden können, wenn die Gefährdungen korrekt beurteilt worden wären und notwendige Maßnahmen zum Schutz vor Absturz getroffen worden wären.“

Umso wichtiger ist es also, auch weiterhin aufzuklären und zu sensibilisieren – nicht nur bei Kontrollen und nach Unfällen. Daher sind die Expertinnen und Experten des Arbeitsschutz-Dezernats des Regierungspräsidiums Gießen bei der Messe „Memo-Bauen“ in Marburg vertreten. Sie findet vom 3. bis 5. Februar 2023 jeweils von 10 bis 18 Uhr auf dem Messeplatz Afföller statt. Das RP ist in Halle 1 am Stand 111 zu finden. „Unser Hauptthema sind Absturzsicherungen, insbesondere, wenn bei Gebäuden im Bestand nachträglich Photovoltaik-Anlagen installiert und energetische Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden“, kündigt die Dezernatsleiterin an.

Wichtige Aufgabe - auch für die Zukunft

„Die Unfallzahlen belegen, dass die Überwachung der Einhaltung der Arbeitsschutzpflichten in den Betrieben und insbesondere auf den Baustellen durch die Arbeitsschutzaufsicht bei den Regierungspräsidien eine unentbehrliche und wichtige Aufgabe auch für die Zukunft ist“, betont Dr. Hilde Weigand. Bei den Kontrollen entdecken die RP-Beschäftigten immer wieder Mängel – von ungeeigneten oder ungeprüften Arbeitsmitteln bis eben zur fehlenden Absturzsicherung. „In der Regel werden die Verantwortlichen vor Ort aufgefordert, die Mängel sofort zu beseitigen. Bei Gefahr für Leib und Leben der Beschäftigten müssen die Arbeiten sofort eingestellt werden. Die Weiterarbeit wird erst dann gestattet, wenn die Mängel beseitigt wurden. Gegen ,Wiederholungstäter‘ werden auch mal Bußgeldverfahren eingeleitet“, berichtet die Arbeitsschutzexpertin.

Und wie ist das bei schweren Unfällen? Hier kommen die Arbeitsschützer gegebenenfalls direkt dazu und unterstützen die Polizei bei den Ermittlungen. Doch egal ob sie gleich vor Ort sind oder den entsprechenden Vorfall im Nachgang untersuchen: „Wir hinterfragen stets, ob der Arbeitgeber die Gefährdungen, die mit der Tätigkeit verbunden sind, beurteilt hat und ob alles Notwendige veranlasst wurde. Insbesondere wird ermittelt, ob auch die Arbeitnehmer in Hinblick auf sicherheitsgerechtes Verhalten und Unfallrisiken unterwiesen wurden“, erklärt Dr. Hilde Weigand. Dies ist auch zentraler Bestandteil der normalen Baustellen- und Betriebsüberwachungen durch die Aufsichtskräfte der Arbeitsschutzdezernate. „Letztendlich geht es vorrangig immer darum, den nächsten Unfall und das damit verbundene menschliche Leid zu verhindern.“

Stichwort: RP in Zahlen

Zahlen begegnen uns im täglichen Leben. Beim Einkaufen, beim Blick auf die Uhr oder aufs Thermometer. Oftmals verstecken sich hinter den Zahlen auch spannende Themen mit einem „Ach, das wusste ich noch gar nicht“-Effekt. Das Regierungspräsidium Gießen stellt unter dem Motto „RP in Zahlen“ Interessantes aus dem Verwaltungsalltag vor. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten dadurch einen noch tieferen Einblick in die Aufgaben einer Mittelbehörde, die viel spannender ist, als vielleicht gedacht.

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Oliver Keßler

Oliver Keßler

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