FLOW-Projekt am Dünsbergbach

Regierungspräsidium Gießen

Das pure Leben unter dem Totholz

Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Gießen und Schüler untersuchen im Rahmen des Flow-Projektes den ökologischen Zustand des Dünsbergbachs in Biebertal

Gießen/Biebertal. Zwei-, dreimal schüttelt Marc Sonnleitner die Ansammlung Totholz, die vom Wasser umspült wird. So landet eine ordentliche Portion Schlamm und Kleinteile in dem Kescher. Der wird von zwei Schülern der Weidigschule Butzbach gehalten. Die Zwölftklässler stehen gemeinsam mit dem Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Gießen in einem kleinen Gewässer in Biebertal. An diesem Morgen erkunden, beproben und analysieren sie gemeinsam den Dünsbergbach. Sie beteiligen sich am FLOW-Projekt des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ, Leipzig) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig. Es hat zum Ziel, gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern den ökologischen Zustand von kleinen Bächen zu untersuchen und zu bewerten.

Wenn der Kescher gefüllt ist, wird der Inhalt in einen Eimer gesiebt. Und nur wenige Schritte weiter zu Tischen und Bänken gebracht, die am Wegrand im Wald stehen. Dort warten weitere Schüler des Biologie Leistungskurses von Lehrerin Nicole Mühlberger. Rund um den Platz ist die Ausrüstung verteilt, die nun zum Einsatz kommt: Etliche Eimer, Pinzetten, kleine Siebe, Petrischalen und Abbildungen von den Tieren, die gesucht werden.

Zuvor hatte Marc Sonnleitner die Klasse im Unterricht besucht, sie auf den Einsatz am Dünsbergbach vorbereitet und die Vorgehensweise erläutert. Lehrerin Mühlberger hatte den Kontakt hergestellt. „Für die Schüler und Schülerinnen ist das eine tolle Erfahrung, um draußen in der Natur echte, bedeutsame wissenschaftliche Daten zu sammeln“, sagt Mühlberger.

20 Proben werden aus verschiedenen Teillebensräumen in 100 Metern Bachlauf entnommen und untersucht. Unter Anleitung von Marc Sonnleitner und seines Kollegen Benjamin Deichert werden die Proben in kleinere Schalen gefüllt. Dann geht es ans Sortieren. Dabei ist nicht nur ein gutes Auge gefragt, sondern vor allem Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Pinzette. Die Tiere, die sich im Schotter, Sand und Schlamm oder auch im Geäst versteckt hatten, werden gruppenweise in Petrischalen sortiert. Zu finden sind Köcherfliegenlarven mit und ohne Köcher, Bachflohkrebse, Eintagsfliegenlarven sowie Faden- und Strudelwürmer. Schnelle Finger sind gefragt. Denn die kleinen Tiere sind flink. Probe für Probe wird dokumentiert, bevor die Tiere wieder in die Freiheit entlassen werden.

Ergänzend dazu wird die Wasserqualität untersucht. Wie sind Nitrit- und Nitratgehalt? Wie hoch sind die Gesamthärte und der pH-Wert? Und nicht zu vergessen: Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt? Auch auf diese Fragen gibt es an diesem Tag Antworten. Sie werden in einer Online-Plattform eingetragen und von der Projektleitung zentral gesammelt und ausgewertet.

Für Marc Sonnleitner, der einen Master-Abschluss in angewandter Gewässerökologie hat und in der Oberen Fischereibehörde im Regierungspräsidium Gießen arbeitet, ist es ein spannendes Projekt. Während seiner Zeit an der Universität für Bodenkultur in Wien hat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter schon oft Gewässeruntersuchungen begleitet und unterstützt, hat also schon viele dieser Lebensräume erkundet. Was den Dünsbergbach angeht, hat ihn besonders die Strömungs- und Strukturvielfalt des Gewässers beeindruckt. „An solchen Bächen kann man Interessierten am besten zeigen, wie unheimlich vielfältig Gewässerlebensräume sein können“, sagt er. Schon im letzten Jahr hatte sich Sonnleitner mit einer Gruppe Studenten am FLOW-Projekt beteiligt und den Dünsbergbach untersucht. In einer ersten Zwischenbilanz vergleicht er die Ergebnisse der beiden Jahre: „Die ausbleibenden Niederschläge der letzten Woche zeigen sich im aktuell sehr geringen Abfluss.“ Die Besiedlung deute aber gleichwohl auf einen guten Gewässerzustand hin.

Für die unscheinbaren Kleinstlebewesen ist neben dem Wasser und dessen Beschaffenheit auch ein intaktes Gewässerumfeld wichtig, um sich so richtig wohlzufühlen. So sorgt ein standortgerechter Uferbewuchs mit Weiden und Erlen beispielsweise dafür, dass wichtiges Totholz und Laub ins Wasser fallen.

„Erfreulich ist der insgesamt hohe Anteil an Köcher-, Stein- und Eintagsfliegen. Diese sind grundsätzlich sensibler gegenüber Beeinträchtigungen des aquatischen Lebensraums als andere Tiergruppen. Ihre Anwesenheit belegt im Umkehrschluss also einen ökologisch wertvollen Bachlauf mit verschiedensten Mikrohabitaten ohne übermäßige Verschmutzung, wie sie zum Beispiel durch Einträge aus der Landwirtschaft stattfindet“, fasst Marc Sonnleitner zusammen. Alles in allem sagt er über den Dünsbergbach: „Die Strukturgüte befindet sich in einem guten Zustand. Hinsichtlich der Schadstoffbelastung, ist er sogar in einem sehr guten Zustand!“

Hintergrund: Flow-Projekt

Das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist ein guter ökologischer Zustand aller Oberflächengewässer. Im Fokus stehen dabei größere Fließgewässer. Kleine Gewässer werden jedoch kaum berücksichtigt. Die Folge: Es gibt zu wenige Daten über den Ist-Zustand von Bächen und Co. Das Flow-Projekt des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ, Leipzig) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig hat daher das Ziel, den Zustand kleiner Fließgewässer und Bäche zu untersuchen und zu bewerten. Das geschieht gemeinsam mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Am Flow-Projekt beteiligen sich unter anderem Schulen, Hochschulen, Anglerverbände, Nabu-Gruppen und eben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden wie dem Regierungspräsidium Gießen.

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Oliver Keßler

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