Gießen. Photovoltaik auf dem eigenen Hausdach boomt – und leider auch der leichtfertige Umgang mit Sicherheitsmaßnahmen bei der Installation. Tatsächlich ist bei der Montage von Photovoltaik-Elementen auf Dächern fast immer ein Arbeitsgerüst erforderlich, um Absturzunfälle zu verhindern. Das berichten die Fachleute vom Regierungspräsidium Gießen zum Start in die Saison. Anlass ist eine besorgniserregende Bilanz der Baustellen-Kontrolleure: Die Sicherheit der Monteure wird oftmals außer Acht gelassen.
Oft wird nur mit Anlegeleitern hantiert oder die Monteure stehen ungesichert an der Dachkante, um die Module mit Seilen hochzuziehen. Das Risiko eines schweren Absturzunfalls ist dabei sehr hoch. „Natürlich ist es billiger ohne Gerüst zu arbeiten. Gerade bei Arbeiten, die nur wenige Tage in Anspruch nehmen, ist es sehr verlockend, sich irgendwie anders zu behelfen“, erklärt Baukontrolleur Dorian Wagner, der auf mittelhessischen Baustellen unterwegs ist. Dass Dacharbeiten ohne Gerüst durchgeführt werden dürfen, kommt jedoch nur äußerst selten vor, zum Beispiel bei sehr kurzzeitigen Ausbesserungsarbeiten, die gegebenenfalls mit Anseilschutz erledigt werden können.
Widrige Umstände
Der Verzicht auf die vorgeschriebene Absturzsicherung kann fatale Folgen haben. „Abstürze von Dächern enden oft mit schwersten Verletzungen und manchmal auch tödlich. Auch auf den regionalen Baustellen hier haben wir das leider schon mehrfach erlebt“, berichtet Wagner aus seinem Arbeitsalltag. Es tummeln sich unter den Anbietern einige schwarze Schafe in diesem Segment, so die Erfahrung der Kontrolleure.
„Natürlich freuen wir uns, dass auch in Mittelhessen immer mehr Strom und warmes Wasser mittels Sonnenenergie erzeugt werden. Einen Verzicht auf die Sicherheit und eine Marktverzerrung zu Gunsten nicht seriöser Anbieter können wir aber nicht hinnehmen“, sagt der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich. Der Preiskampf unter den Anbietern wirkt sich auch negativ auf die Arbeitssicherheit aus. Davon sind die RP-Arbeitsschützer überzeugt. Durch den Verzicht auf ein vorgeschriebenes Arbeitsgerüst kann der gesamte Auftrag zwar kostengünstiger angeboten werden. Die ausführenden Unternehmen – meist Subunternehmen – müssen dann aber oft nicht nur unter sicherheitswidrigen Umständen arbeiten, die Arbeiten müssen auch noch schnellstmöglich ausgeführt werden, um einer drohenden Sanktionierung zu entgehen. Beides zusammengenommen, fehlende Absturzsicherung wie auch Zeitdruck, führen zu einem besonders hohen Risiko.
Immer häufiger Anrufe beim RP
Leider bleiben so die ehrlichen Anbieter mit sicheren Montagebedingungen auf der Strecke. Dem steht mittlerweile eine veränderte Wahrnehmung in der Bevölkerung gegenüber: „Es erreichen uns immer häufiger Anrufe besorgter Anwohner oder Nachbarn, wenn Arbeiten ohne Absturzsicherung durchgeführt werden. Auch Polizeistreifen und Ordnungsämter geben entsprechende Hinweise weiter“, sind jüngere Erfahrungen der RP-Baukontrolleure. In diesen Fällen werden die Arbeiten erst einmal eingestellt, bis eine entsprechende Absturzsicherung geschaffen ist.
Bauherren wird empfohlen, darauf zu achten, dass Anbieter bei Arbeiten auf Dächern immer das Aufstellen eines Arbeitsgerüstes miteinkalkulieren. Denn das ist meistens auch ein gutes Kennzeichen dafür, dass es sich nicht um ein „windiges Angebot“ handelt. Besonders billig ist eben nicht auch besonders gut. Davon ausgehend, dass auch weiter Förderprogramme für erneuerbare Energien, wie Photovoltaik, aufgelegt werden, ist es umso wichtiger, diese Finanzmittel verantwortungsvoll einzusetzen. Dazu gehört auch, dass bei der Montage entsprechender Anlagen kein Menschenleben aufs Spiel gesetzt wird, so die Arbeitsschützer des RP Gießen. Denn ein Menschenleben zählt eindeutig nicht zu den „Erneuerbaren“.
Weitere Informationen über das sichere Arbeiten auf Baustellen erhalten Interessierte bei den Arbeitsschutzdezernaten im Regierungspräsidium Gießen unter www.rp-giessen.deÖffnet sich in einem neuen Fenster oder telefonisch 0641 303-0.