Gießen/Hadamar-Niederzeuzheim. Fünf Tage lang waren Hunderte Einsatzkräfte der Feuerwehren und der Verwaltungsstab der Stadt Hadamar ab 26. Februar gefordert. Vormittags gegen 10:50 Uhr kam es bei Wartungsarbeiten in einem Propangas-Umschlag- und Verteillager im Ortsteil Niederzeuzheim zu einem Störfall. Dabei gelangten bis zu 174 Tonnen Propangas und damit der gesamte Inhalt eines der drei Lagerbehälter ins Freie. Der Austritt konnte trotz aller Bemühungen der Gefahrenabwehrkräfte zunächst nicht gestoppt werden. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen hat als störfall- und arbeitsschutzrechtliche Überwachungsbehörde noch während der laufenden Gefahrenabwehrmaßnahmen die Fortführung des Betriebs untersagt und eine sicherheitstechnische Prüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen angeordnet. Dessen Aufgabe sollte es insbesondere sein, die Ursachen des Störfalls zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser Prüfung liegen nun vor.
Die Ermittlung der Ursachen erfolgte in enger Abstimmung mit dem und Freigabe durch das RP Gießen. Dazu fanden mehrere Ortstermine statt, die auch eine innere Begehung des havarierten Tanks und die Demontage und anschließende Untersuchung von Anlagenteilen beinhaltete. Weiterhin wurde der ausführende Monteur befragt und zahlreiche Besprechungen geführt, unter anderem mit Herstellern einzelner Bauteile.
Im Ergebnis hat der Störfall nichts mit dem regelhaften Betrieb des Umschlag- und Verteillagers zu tun, sondern steht im Zusammenhang mit Wartungsarbeiten an einem Anlagenteil, das im Normalbetrieb nicht verwendet wird. Zur Verhinderung von Störfällen existieren in technischen Anlagen, wie hier dem Propangaslager, grundsätzlich mehrere Schutzbarrieren. Diese können technischer oder organisatorischer Art sein. Allgemein gesagt können Störfälle, wie hier der Stoffaustritt, auftreten, wenn nicht nur eine, sondern alle Schutzbarrieren gleichzeitig versagen, fachlich spricht man vom sogenannten „Dennoch-Störfall“, umgangssprachlich von „einer Verkettung unglücklicher Umstände“. Dies war hier der Fall. Menschliches Versagen des ausführenden Monteurs lag nach Ermittlung des Sachverständigen nicht vor.
Schutzbarrieren haben versagt
Technische Schutzbarrieren, wie z.B. entsprechende Auslegung von Rohrleitung und Armaturen, waren ebenso wie organisatorische Maßnahmen (wie z.B. Betriebsanweisungen, Wartungspläne) zwar vorhanden, diese Schutzbarrieren haben jedoch alle versagt. So war unter anderem ein Bauteil, konkret ein Kugelhahn, undicht und innerlich beschädigt, was aber äußerlich nicht sichtbar war und zuvor auch nicht erkannt wurde. Der Defekt dieses Bauteils hat wiederum die zweite technische Schutzbarriere, eine automatische Schnellschlusseinrichtung, unwirksam gemacht. Hinzu kam, dass die Stellung des Kugelhahns falsch gekennzeichnet war und der Kugelhahn damit geöffnet, statt geschlossen wurde. Eine nicht vorhersehbare Verstopfung im anschließenden Rohrleitungsabschnitt hat schließlich bei der Überprüfung die Drucklosigkeit des zu wartenden Bauteils angezeigt und dadurch die letzte (organisatorische) Schutzbarriere wirkungslos werden lassen. Damit waren alle Schutzbarrieren offen und es konnte zu dem Störfall kommen.
Welche Auswirkung hat das ausgewertete Gutachten auf das weitere Vorgehen des RP Gießen? Die Anlagenbetreiberin hat technische Änderungen am havarierten Tank 3 angezeigt, die eine Wiederholung dieses Störfallszenarios ausschließen sollen. Diese Änderungen wurden behördlich geprüft und zwischenzeitlich bestätigt. Unabhängig davon muss die Betreiberin die empfohlenen Maßnahmen des Sachverständigen umsetzen und dies auch nachweisen.
Neues Gesamtkonzept
Weiterhin wird die Betreiberin ein Gesamtkonzept zur sicheren Wiederinbetriebnahme und zum zukünftigen sicheren Betrieb vorlegen. Dies umfasst neben der Aktualisierung des Sicherheitsberichts und der Durchführung externer Prüfungen auch eine neue Gefahrenanalyse unter Berücksichtigung der bei der Aufarbeitung des Störfalls gewonnenen Erkenntnisse. Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen wird das RP Gießen abschließend eine Vor-Ort-Besichtigung durchführen und die Umsetzung der Maßnahmen überprüfen. Erst danach ist eine Aufhebung der Untersagung des Betriebs möglich.
Unabhängig davon wird am Mittwoch, 7. August, erneut auf dem Firmengelände Gas abgefackelt. Dies soll rund eineinhalb Stunden dauern. Hintergrund ist der Austausch von zwei Ventilen.