Gießen/Wetzlar. Das Jahresgespräch mit der Landwirtschaft in Mittelhessen hat Tradition. Das jüngste Treffen in Wetzlar war zur Freude des Gießener Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich und Abteilungsleiterin Sonja Heckrodt wieder gut besucht. „Das spricht dafür, dass diese wichtige Veranstaltung nicht nur bei uns, sondern auch bei Ihnen gut ankommt“, sagte Ullrich. In der Tat machten die Vertreterinnen und Vertreter des Hessischen Bauernverbandes, der Kreisbauernverbände im Regierungsbezirk und Kreislandwirte sowie Beschäftigte der Ämter für den ländlichen Raum reichlich Gebrauch von dem Angebot, miteinander und mit den Fachleuten des Regierungspräsidiums ins Gespräch zu kommen. Die Palette der Themen reichte von der Neuaufstellung des Regionalplans Mittelhessen über Tierseuchen und Pflanzenschutz bis hin zum Vorkommen von Biber und Wolf in Mittelhessen.
Mit Blick auf den Regionalplan erläuterte RP-Mitarbeiter Stefan Uhlenkotte, dass ab dem 26. Mai der Entwurf ein zweites Mal offengelegt werden soll. Thema darin sind auch Photovoltaik-Freiflächenanlagen, die – egal ob in Form von Agri-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen oder in privilegierten Bereichen entlang von Autobahnen und Bahnstrecken – pro Kommune auf maximal zwei Prozent der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für Landwirtschaft errichtet werden dürfen. Die Regionalplanung habe die Entwicklung im Auge und sorge dafür, dass diese Größenordnung eingehalten wird, betonte Uhlenkotte.
Nicht neu, aber aktuell ist das Thema Tierseuchen. Besonders die Afrikanische Schweinepest, aber auch die Blauzungen-krankheit und die Maul- und Klauenseuche bereiten sowohl den Landwirten als auch der Behörde Sorge. RP-Mitarbei-terin Dr. Ursula Planz infor-mierte insbesondere über Präventionsmaßnahmen. Bei der Afrikanischen Schweinepest kehre noch keine Ruhe ein. In Hessen wird auf drei Säulen zur Bekämpfung gesetzt: die Suche nach Fallwild, das Errichten von Zäunen und die Jagd. „Für schweinehaltende Betriebe ist die Einhaltung von Hygiene die beste Prävention, insbesondere in Sperrzone-Gebieten“, betonte Planz.
Dazu zähle beispielsweise, das Futter sicher vor Wildschweinen zu lagern, das Personal zu schulen und Unbefugten keinen Zutritt zu gewähren. Von der Blauzungenkrankheit seien nicht nur Schafe, sondern vermehrt auch Rinder betroffen. Eine Impfung werde dringend empfohlen, auch wenn sie nur vor einer schweren Erkrankung schütze. Aktuell seien drei Impfstoffe zugelassen. Hinsichtlich der Maul- und Klauenseuche sagte Planz, dass das Virus extrem leicht übertragen werde. Der Ausbruch bei Wasserbüffeln in Brandenburg im Januar habe weitreichende Konsequenzen für ganz Deutschland. Hier sei es beispielsweise wichtig, aufzuklären, die Hygiene einzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Tiere nicht von Fremden gefüttert werden.
Auch als „Pandemie auf dem Acker“ bezeichnet: der Landwirtschaft und dem Pflanzenschutzdienst Hessen bereitet die Schilfglasflügelzikade weiter Sorgen, wie RP-Mitarbeiter Norbert Koch erläuterte. Die kleine Zikade überträgt zwei bakterielle Krankheiten auf immer mehr Wirtspflanzen. Betroffen sind vor allem Zuckerrübe und Kartoffel, aber mittlerweile auch Zwiebel; Rote Bete; Rhabarber; Kohl und Karotte. In Südhessen ist die Betroffenheit bisher am größten, aber die mit den Krankheiten beladenen Zikaden wandern stetig nach Norden.
Mittlerweile sind zahlreiche Forschungsprojekte angelaufen, um der Verbreitung der Schäden durch die Krankheiten Maßnahmen entgegenzusetzen. So auch das durch das RP Gießen geförderte Projekt SiKaZiKa (Sicherung des Kartoffelanbaus in Hessen durch innovatives Zikaden-Management) der Europäischen Innovationspartnerschaften, an dem der RP-Pflanzenschutzdienst beteiligt ist. Neben Forschungsprojekten ist er aktuell auch damit befasst, Beratungsempfehlungen zu erarbeiten. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Das BVL hat zu Monatsbeginn für eine Reihe von Pflanzenschutzmitteln sogenannte Notfallzulassungen zur Bekämpfung der Schilfglasflügelzikade veröffentlicht. Diese dürfen jedoch nur eingesetzt werden, nachdem der amtliche Warndienst des Pflanzenschutzdienstes Hessen dazu auffordert, so sein wichtiger Hinweis. Vertiefte Informationen hierzu bietet die Homepage des Pflanzenschutzdienstes ( https://pflanzenschutzdienst.rp-giessen.de/ackerbau/warndienst/Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Das Vorkommen von Wolf und Biber ist ebenfalls ein Thema, das Landwirte und Behörde beschäftigt. RP-Mitarbeiter Steffen Wilhelmi informierte, dass in Hessen mehrere Wölfe nachgewiesen wurden. In diesem Jahr gab es im Regierungsbezirk Gießen bereits zwölf Risse von Nutztieren und zwei von Wildtieren, wo der Wolf als Verursacher vermutet wurde. In fünf Fällen konnte dies genetisch bestätigt werden. Wilhelmi wies darauf hin, dass Halter von Tieren sechs Monate Zeit haben, Anträge auf eine Billigkeitsleistung zu stellen, sprich: eine Entschädigung zu erhalten. Der Biber breitet sich in Mittelhessen weiter aus. Aktuell gibt es rund 140 Reviere, überwiegend im Vogelsbergkreis und dem Kreis Gießen. Inzwischen gebe es weitere Hinweise auf neue Reviere, die überprüft werden. Auch hier soll es zukünftig die Möglichkeit auf eine Billigkeitsleistung geben, die entsprechende Richtlinie wird aktuell durch das Hessische Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat erarbeitet.
Zum Abschluss informierte RP-Mitarbeiterin Katrin Schneider über die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur, die seit August 2024 in Kraft ist. Sie soll dazu beitragen, die biologische Vielfalt in Europa langfristig zu erhalten und geschädigte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand versetzen. In der Verordnung werden zeitliche und inhaltliche Vorgaben gemacht. Dazu zählt zum Beispiel, dass in FFH-Gebieten bis zum Jahr 2030 für bestehende Lebensraumtypen im ungünstigen Zustand auf 30 Prozent der Fläche Wiederherstellungsmaßnahmen ergriffen werden. Jetzt gilt es, einen nationalen Wiederherstellungsplan zu erarbeiten. Im Moment laufe der Abstimmungsprozess auf Bund-Länder-Ebene.