Wissenschaftler holen Tiere aus Teichen, um Art und Anzahl zu bestimmen.

Regierungspräsidium Gießen

Wo Geduld, lange Arme und Erfindergeist gefragt sind

Dr. Christoph Ullrich besucht Mesocosm GmbH am Forschungszentrum Neu-Ulrichstein in Homberg (Ohm) und begleitet RP-Beschäftigte während Inspektion

Gießen/Homberg (Ohm). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind konzentriert bei der Sache. Mit Keschern und anderen Hilfsmitteln fischen sie routiniert Tiere und Pflanzen aus einem der großen Teiche, sogenannte Modellökosysteme, auf dem Gelände der Mesocosm GmbH am Forschungszentrum Neu-Ulrichstein in Homberg (Ohm). Bei jedem Wetter und möglichst immer auf genau dieselbe Art und Weise. Dann heißt es: Organismen bestimmen und zählen, alles protokollieren, Tiere und Pflanzen wieder zurück ins Wasser bringen und abschließend Behälter reinigen. Pro Studie fallen in der Woche bis zu zehn verschiedene biologische, physikalische und chemische Beprobungen an, und dies in der Regel über drei Monate hinweg. „Bei unseren Studien sind Geduld und Durchhaltevermögen gefragt. Und oftmals auch lange Arme und Erfindergeist“, schmunzelt Prof. Dr. Klaus Peter Ebke. Der Leiter der Prüfeinrichtung und Geschäftsführer des Instituts für Gewässerschutz und sein Team gehen – neben anderen Forschungsprojekten und Tätigkeiten – einer wichtigen Frage nach: Wie wirken sich Pflanzenschutzmittel auf Gewässer und die darin lebenden Tiere und Pflanzen aus? Wie komplex das Ganze ist und welche Herausforderungen damit verbunden sind, erfuhr der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich bei seiner Sommertour.

Der Behördenleiter informierte sich zum einen über das Unternehmen. Zum anderen hatte er die Möglichkeit, zwei RP-Beschäftigte zu begleiten. Just an diesem Tag begann eine zweitägige Inspektion, bei der die RP-Fachleute den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Mesocosm über die Schulter schauten. Alle drei Jahre muss das Unternehmen zeigen, dass es nach den Grundsätzen der „Guten Laborpraxis“ arbeitet. Das ist wiederum für die Kunden wichtig und notwendig, die die Mesocosm GmbH mit Prüfungen und Studien beauftragen. Hinter der „Guten Laborpraxis“, kurz GLP, verbirgt sich ein internationales Qualitätssicherungssystem. Es gibt vor, wie die Prüfungen ablaufen, wie sie geplant, durchgeführt und überwacht werden. So wird sichergestellt, dass Daten zuverlässig und vergleichbar sind – ein Muss, wenn es darum geht, im Zuge eines Zulassungsverfahrens das Umweltrisiko von Chemikalien, Pflanzenschutz- oder Arzneimitteln zu beurteilen.

Unternehmen 2002 gegründet

Als Mitglieder der der GLP-Kommission Hessen schauen die beiden RP-Fachleute, ob die GLP-Standards eingehalten werden. Zwei Tage bedeutete das für Dr. Florian Peuckert vom Immissionsschutz-Dezernat, von Haus aus Chemiker, und seine Kollegin Judith Breidbach, Diplom-Gartenbauingenieurin und Mitarbeiterin des Pflanzenschutzdienstes: Räume und Freifläche begehen, zuschauen, Abläufe und Unterlagen anschauen, Geräte und Stichproben überprüfen und Gespräche führen. Mit dem Ergebnis, dass das Unternehmen das GLP-Zertifikat erneut für drei Jahre erhält und damit die Sicherheit garantiert wird, dass der Standard bei den Studien eingehalten wird.

Bei der Vorstellung des Unternehmens und dem anschließenden Rundgang erfahren der Regierungspräsident und die beiden RP-Beschäftigten allerhand über die 2002 gegründete GmbH. Etwa, dass sich das Unternehmen auf dem Gelände der ehemaligen Landesanstalt für Tierzucht befindet, das zu Forschungszwecken umgestaltet wurde. Herzstück des Freigeländes sind die fünf großen Teiche, die durch den Einsatz von großen Metallzylindern in einzelne Testsysteme (Mesokosmen) unterteilt werden. Hier tummeln sich Schnecken, Ruderwanzen, Wasserflöhe und Büschelmückenlarven, wachsen Algen und andere Wasserpflanzen. Zum Beproben schlüpfender Insekten ragen kleine Zelte aus dem Wasser. Hier werden die Tiere in Sammelfallen gefangen, um sie später zählen und bestimmen zu können. Anhand der Untersuchungen erfahren die Wissenschaftler beispielsweise, wie sich die Zugabe von Pflanzenschutzmitteln auswirkt. Pflanzen sich die Tiere fort? Steht das Ökosystem unter Stress und wenn ja, kann es sich erholen? „Wir können viele Aussagen über die tatsächliche Wirkung im Ökosystem treffen“, betont Geschäftsführer Ebke. „Mesokosmos-Prüfungen sind weitaus aufwendiger als entsprechende Laborversuche und erbringen deutlich mehr Informationen für eine realistische Umwelt-Risikoabschätzung. Daher gibt es in Europa auch nur vier vergleichbare GLP-Prüfeinrichtungen wie in Homberg (Ohm).“

Keine Massenware, sondern selbst entwickelt und gebaut

Die Bedingungen vor Ort sind ideal, wie er darstellt. Ein kleiner See, ehemals Fischteich, liefert Wasser und Sediment. „Unser braunes Gold“, lacht Prof. Dr. Klaus Peter Ebke. Bei den Prüfeinrichtungen selbst ist hingegen oft Erfindergeist gefragt. Die meiste Probenahmetechnik ist keine Massenware, sondern eigens entwickelt und gebaut worden. Da wird das Spitzsieb aus der Gastronomie zum Probenehmer für wirbellose Kleinlebwesen. Und auch ein Fließgerinne-System wurde selbst entwickelt und gebaut. Kooperiert wird mit Universitäten und Laboren. „Angesichts der komplexen Studien ist es wichtig, dass man gut harmoniert und vernetzt ist“, betont Ebke. 

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Oliver Keßler

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