Insektenhotel

Regierungspräsidium Gießen

Alternativen prüfen

Artenschützer des Regierungspräsidiums Gießen appellieren, sich vor dem Kauf von Insektenfallen ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen – Neue Regelungen zu Bremsenfallen

Gießen. Der Frostspanner frisst den Baum kahl, die Bremsen piksen die Pferde auf der Weide, die Mücken treiben ihr Unwesen, die Wespen schwirren beim Grillen rund um den Tisch. Da greifen viele Menschen gerne zu Insektenfallen. „Doch das Problem ist: In oder an ihnen landen in vielen Fällen Tiere, die keine unerwünschten ,Schädlinge‘ sind“, sagt der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich. Dazu zählen beispielsweise Bienen, Falter, aber auch Vögel und Fledermäuse. Die Arten- und Tierschutzexperten seiner Behörde appellieren daher, sich ernsthaft mit dem Thema und vor allem den Konsequenzen für die Tiere und die Natur auseinanderzusetzen. Denn Insekten sind auch ohne Fallen schon genug gefährdet – und mit ihnen das ganze Ökosystem.

„Viele Menschen engagieren sich für den Erhalt von Bienen, Wespen und Co. Sie legen Blühstreifen an und hängen Insektenhotels auf. Außerdem gibt es Förderprogramme, um dem Insektenschwund entgegenzuwirken“, lobt Dr. Lea Benner, amtliche Tierärztin beim Regierungspräsidium Gießen. Auf der anderen Seite allerdings werden Insektenfallen installiert, die genau den Tieren schaden, die es zu schützen gilt. Ihre Beobachtung: Die Anzahl von Bremsen- und Klebefallen im Außenbereich und an Weiden nimmt zu. Noch dazu werden sie oftmals nicht entfernt, sondern bleiben das ganze Jahr über hängen.

Geschützte Arten auch in Mittelhessen

Der Verkauf von Insektenfallen – egal ob diese mit Strom betrieben werden oder Lockstoffe beinhalten, um nur zwei Beispiele zu nennen – ist nicht verboten. Bei der Anwendung sieht es jedoch anders aus. „Zumindest, wenn es um geschützte Arten geht“, betont Gerrit Oberheidt, Leiter des Artenschutzdezernats, das sich unter anderem um den Artenschutz und die Biodiversität kümmert. Denn laut Bundesnaturschutzgesetz ist es beispielsweise verboten, „wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten“.

Geschützte Arten gibt es auch in Mittelhessen – etwa Wildbienen oder bestimmte Schmetterlinge. Sie können zum Beispiel Bremsenfallen und Leimringen zum Opfer fallen. Lea Benner appelliert, das eigene Verhalten zu hinterfragen und nach Alternativen zu suchen. Da Bremsen vor allem in Sümpfen und Feuchtwiesen leben, rät sie beispielsweise Tierhalterinnen und -haltern, Weiden saisonal abhängig in anderen Gebieten zu nutzen und schon bei der Auswahl der Fläche darauf zu achten. Ebenfalls empfiehlt sie, bei Pferden beispielsweise Fliegenmasken oder -decken zu verwenden, statt auf Fallen zu setzen.

Bremsenfallen: Was ist neu?

Was Bremsenfallen angeht, gibt es klare Regeln. „Sie dürfen in naturschutzfachlich wertvollen Gebieten – dazu zählen Nationalparks, Naturschutzgebiete und Kernzonen des Biosphärenreservates Rhön – nicht aufgestellt werden, da sie größere Mengen von Tieren wahllos fangen und töten und in diesen Gebieten regelmäßig besonders geschützte Arten vorkommen“, erklärt Oberheidt. In anderen Schutzgebieten bedarf es einer Genehmigung durch die jeweils zuständige Naturschutzbehörde. Im Fall von FFH- und Vogelschutzgebieten mit Habitaten von Vogelarten, die Fluginsekten als Nahrungsgrundlage benötigen, ist die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium der richtige Ansprechpartner. Geht es um die Zone I des Nationalen Monumentes „Grünes Band“, ist die Oberste Naturschutzbehörde beim Land Hessen zuständig. Wer eine Bremsenfalle in einem gesetzlich geschützten Biotop aufstellen möchte, muss sich vorab an die Untere Naturschutzbehörde des jeweiligen Landkreises wenden. Diese Regelungen wurden erst kürzlich per Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz an die nachgeordneten Behörden auf den Weg gebracht.

Häufig genutzt werden auch Leimringe. „Sie sind seit ewigen Zeiten üblich“, berichtet Oberheidt. Die Leimringe sollen im Herbst die flügellosen Frostspanner-Weibchen davon abhalten, in die Obstbäume zu klettern und dort ihre Eier abzulegen. Das heißt aber auch: Im Frühjahr und Sommer erfüllen sie nicht ihren eigentlichen Zweck. Hier hilft es, die Leimringe während der Vogelbrut- und Fledermaussaison – also von April bis Oktober – nicht anzubringen und vor allem die über den Herbst und Winter angebrachten Leimringe bis spätestens April zu entfernen.

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Oliver Keßler

Oliver Keßler

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