Gießen. Ein Austausch auf Augenhöhe. Das ist das Ziel des Jahresgespräches zwischen dem Regierungspräsidium (RP) Gießen und den mittelhessischen Kreisbauernverbänden. War dies während der Corona-Pandemie nicht im direkten Gespräch möglich und musste auf ein Online-Format zurückgegriffen werden, so trafen sich die Beteiligten nunmehr am RP-Standort in Wetzlar wieder in Präsenz. „Wir haben uns in dieser Runde lange nicht gesehen“, sagt demnach Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, betont aber, dass der Kontakt zugleich nicht abgerissen sei. Ihm sei der Austausch, das Gespräch und damit ein konstruktives Miteinander wichtig. Deshalb treffe man sich einmal jährlich um die Themen der Landwirtschaft zu besprechen. „Das alles in einem offenen Dialog“, sagt Ullrich. Dabei waren die Themen breit gefächert. Sie reichten von Freiflächenphotovoltaik vor dem Hintergrund der Regionalplanung über das Kleinstrukturenverzeichnis in der Agrarlandschaft bis hin zur Rückkehr des Wolfes und des Bibers nach Hessen. Erstmals involviert waren die auf Kreisebene angesiedelten Ämter für den Ländlichen Raum.
Zentral ist es, das vorhandene Wissen über die Themen abzugleichen. Ullrich betont, dass das Regierungspräsidium dabei die Rolle des Umsetzers übernehme. Entscheidungen über die Regelungen der verschiedenen Themen würden in Brüssel, Berlin oder Wiesbaden getroffen. Bei der Umsetzung dieser Vorgaben vor Ort, müssten für alle Beteiligten praxistaugliche Lösungen gefunden werden. Und die müssten zum einen die gesetzlichen Rahmenvorgaben einhalten und zum anderen müssten alle Beteiligten damit zu Recht kommen. Deswegen gebe es das Angebot zum Jahresgespräch.
Inhaltlich nahm die Neuaufstellung des Regionalplans Mittelhessen und damit verbunden das Thema Freiflächenphotovoltaik und deren Privilegierung einen breiteren Raum ein. Aktuell befinden sich Grundsatzpapiere zu einzelnen Themen in der Bearbeitung. Dabei gehe es unter anderem darum Abwägungen vorzunehmen, wenn verschiedene Interessen für die Flächenausweisungen im Regionalplan vorliegen.
Eine Flächenkonkurrenz sei unter anderem bei Photovoltaikanlagen erwartbar, erklärt Ullrich. Damit war ein weiterer Punkt angeschnitten. Die Privilegierung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA). Diese benötigen im Außenbereich normalerweise eine kommunale Bauleitplanung, welche an regionale Vorgaben angepasst werden muss. Das RP informierte in einem Vortrag über die jüngsten Änderungen der Rechtslage. Die Landwirtschaft befürchtet den Verlust von bewirtschaftbaren Flächen.
Tierschutzrecht und Hygiene waren zwei zentrale Punkte zum Thema Schlachtstätten. Es wurde verdeutlicht, dass das Regierungspräsidium weiterhin seine Expertise in Form von Beratungen und Unterstützung sowie Schulung anbietet und dazu im Austausch mit den Beteiligten sowie den kommunalen Behörden bleibt.
Die Fauna-Flora-Habitat-Gebietskonferenzen und die Einbindung der Landwirtschaft beschäftigte die Gesprächsrunde ebenfalls. Das Schutzgebietsmanagement in Hessen ist durch die Regierungspräsidien und örtliche Behörden geregelt. Maßnahmenpläne werden unter Beteiligung von Nutzern und Naturschutzvereinen erstellt, um den Erhaltungszustand von Lebensräumen und Arten zu wahren oder wiederherzustellen. Gebietskonferenzen werden alle sechs bis zwölf Jahre durchgeführt, um den Erfolg der Maßnahmen zu überprüfen. Der landwirtschaftliche Berufsstand wird durch Anwesenheit der Ortslandwirte bei den Gebietskonferenzen einbezogen. Dabei dienen diese Konferenzen einer reinen fachlichen Diskussion und enthalten keine Abstimmungsprozesse.
Der Wolf breitet sich in Hessen weiter aus. In Mittelhessen wurden elf Nutztiere gerissen. Es wurden nur zwei Anträge auf Billigkeitsleistungen gestellt und genehmigt. Es stehen noch Entscheidungen für zwei Anträge aus. Anträge auf die Entnahme von Wölfen im RP-Bezirk wurden bislang nicht eingereicht. Während es beim Wolf bereits Möglichkeiten zur Entschädigung gibt, ist für den Biber eine entsprechende Richtlinie in Arbeit. Bei dem Biber als streng geschützte Art bedarf jeder Eingriff in seinen Lebensraum einer Ausnahmegenehmigung nach Bundesnaturschutzgesetz, für deren Erteilung die Untere Naturschutzbehörde zuständig ist. Hier gibt es aufgrund der aktuellen Rechtsprechung keine andere Möglichkeit für eine weniger strenge Auslegung. Auch bei diesem Thema bleibe der Austausch wichtig, vor allem das Biber-Management könnte hier künftig neue Lösungsansätze bringen.
Dass nicht alle Fragen abschließend diskutiert werden konnten, nutzt Regierungspräsident Ullrich zu dem Aufruf, weiter in Kontakt und Austausch zu bleiben. Die zuständige Leiterin Sonja Heckrodt der RP-Abteilung „Ländlicher Raum, Forsten, Natur- und Verbraucherschutz“ schließt die fast zweieinhalbstündige und fachlich-engagierte Diskussion mit den Worten: „Herzlichen Dank für das sachliche und konstruktive Gespräch und vor allem für die zahlreichen Themenanmeldungen.“