Gießen. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen hat den für einen Teilbereich der A49-Baustelle verhängten Baustopp heute weitgehend aufgehoben. Zuvor konnten bei den angeordneten repräsentativen Nachuntersuchungen des Damm-Materials zwischen den Brückenbauwerken 08 und 09 bei Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) weder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, sogenannte PAKs, noch sprengstofftypische Verbindungen (STV) nachgewiesen werden.
Der Baustopp innerhalb der Wasserschutzgebietszone II wurde Anfang Mai gegenüber den bauausführenden Firmen ausgesprochen, nachdem in dem betreffenden Dammbereich an der Oberfläche vereinzelt PAK-haltiges Material in Form von schwarzen Bruchstücken gefunden worden war. Das Material der Dammaufschüttung stammt aus dem ehemaligen Gelände einer in der NS-Zeit betriebenen Fabrik der Westfälisch-Anhaltischen Sprengstoff-Actien-GesellschaftÖffnet sich in einem neuen Fenster (WASAG).
Die dortigen Altlasten wurden bereits im Vorfeld der jetzigen Baumaßnahmen erfolgreich saniert. Um sicherzustellen, dass beim Autobahnbau tatsächlich nur unbelastetes Erdmaterial wieder eingebaut wird, wurde dieser Aushub vor der Umlagerung in den Damm seitens der Bau-ARGE A49 als Bauträger außerdem nach altlastenfachlichen Gesichtspunkten repräsentativ untersucht. Belastungen wurden dabei keine festgestellt.
Nach Eingang von Hinweisen aus der Öffentlichkeit auf PAK-haltige Bruchstücke, die in vermeintlich großen Mengen auf dem Damm lägen, wurde der Damm an zwei Tagen durch jeweils mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RP Gießen intensiv abgesucht. Hierbei wurden auf einer Länge von etwa 300 Meter, jeweils circa 150 Meter auf beiden Seiten des Damms, insgesamt 15 optisch auffällige Bruchstücke in der Dammböschung gefunden. Von denen reagierten zehn positiv auf einen PAK-Schnelltest. Die Größe der Bruchstücke beträgt durchschnittlich etwa fünf Zentimeter. Die erste behördliche Begehung erfolgte unangekündigt und ohne Beteiligung der Bau-ARGE A49.
Bei der zweiten Begehung unter Beteiligung eines unabhängigen Fremdgutachters und der Bau-ARGE A49 wurden mit einem Bagger außerdem insgesamt sechs Schürfe in den Böschungen hergestellt, um zu überprüfen, ob Hinweise auf weitere Bruchstücke unterhalb der Oberfläche bestehen. Die ausführliche Inaugenscheinnahme der Schürfe durch den Fremdgutachter sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RP Gießen ergab keinerlei Auffälligkeiten. Wegen der sensiblen Lage in der Wasserschutzgebietszone II wurde das aus dem WASAG-Gelände stammende Bodenmaterial des Damms jetzt vorsorglich einer erneuten Untersuchung auf PAK und STV unterzogen. Auch bei diesen Laboranalysen konnten keine Schadstoffe nachgewiesen werden.
Die Herkunft der Bruchstücke konnte nicht abschließend geklärt werden. Da diese nur in sehr kleiner Anzahl auf der Dammoberfläche gefunden wurden, wird von einem oberflächlichen Eintrag im Nachgang zur Aufschüttung des Damms ausgegangen.
Da im Damm keine Schadstoffkonzentrationen nachgewiesen wurden und weil durch das behördliche Absammeln der Bruchstücke von einer Beseitigung der punktuellen Quellen ausgegangen werden kann, besteht keine Gefährdung für das Grundwasser oder die sonstige Umwelt. Der Baustopp wurde daher weitgehend aufgehoben.
Lediglich zwei Teilbereiche des Dammes konnten aufgrund von dort gelagerten Baumaterialien bisher nicht in die repräsentative Nachuntersuchung einbezogen werden. Die Aufhebung des Baustopps gilt daher nicht für diese Bereiche, die nach Räumung ebenfalls noch vorsorglich auf eine potenzielle Kontamination hin untersucht werden müssen. Unabhängig davon wird der Damm wie sämtliche Trassenabschnitte in der Wasserschutzgebietszone II im weiteren Verlauf der Baumaßnahmen entsprechend des Planfeststellungsbeschlusses durch eine Kunststoffdichtungsbahn sowie die Fahrbahndecke lückenlos wasserundurchlässig abgedichtet.
Bei dem vereinzelt vorgefundenen Schadstoff PAK handelt es sich genauer gesagt um eine Schadstoffgruppe, die sich aus vielen Einzelstoffen mit ähnlicher chemischer Struktur und ähnlichen Eigenschaften zusammensetzt. PAK sind schwer wasserlöslich und haften gut an Staub- und Bodenpartikeln an. In der Umwelt sind sie wie viele andere Schadstoffe ubiquitär, das heißt fast überall, vorhanden. PAK sind in hohen Konzentrationen z. B. in Teerpech zu finden, das lange Zeit zum Straßenbau und auch in Wasserschutzzonen verwendet wurde. Inzwischen ist die Herstellung von Straßendecken aus Teerpech nicht mehr erlaubt, jedoch finden sich in ganz Deutschland auch heute noch zahlreiche alte PAK-haltige Straßenbeläge.