Ein Thermometer steht auf einer Tastatur und zeigt etwa 19 Grad Celsius an

Regierungspräsidium Gießen

„Frieren muss trotzdem niemand“

Experten des Regierungspräsidiums Gießen klären auf, welche Konsequenzen die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Gießen. Energiesparen ist aktuell wichtiger denn je. Egal ob zu Hause oder an der Arbeit – an vielen Stellen wird die Heizung nicht so aufgedreht wie noch vor einem Jahr. Grund dafür sind nicht nur die hohen Kosten und die Angst vor Engpässen, sondern auch die „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ der Bundesregierung. Sie regelt unter anderem die Energiesparmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden und Unternehmen. „Von den Vorschriften sind sowohl Beschäftigte im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft betroffen“, macht der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich deutlich. Was das Absenken der Temperaturen am Arbeitsplatz angeht, gibt es aber durchaus Missverständnisse. Die Arbeitsschutzexperten seiner Behörde klären daher auf.

Seit 1. September gültig

Im Normalfall gilt: Arbeitgeber müssen nach der Arbeitsstättenverordnung für eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur in Arbeitsräumen während der Nutzungsdauer sorgen. „Was als gesundheitlich zuträglich gilt, hängt von den Arbeitsverfahren und den physischen Belastungen der Beschäftigten ab“, erklärt Arbeitsschutz-Experte Holger Lehnhardt und verweist auf das geltende Regelwerk. Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A3.5) geben in Abhängigkeit von der überwiegenden Körperhaltung und der Arbeitsschwere Mindestwerte für die Lufttemperatur in Arbeitsräumen vor. Wer beispielsweise überwiegend sitzt und leichte Tätigkeiten ausübt, für den sollte die Raumtemperatur im Normalfall bei mindestens 20 Grad liegen. Bei schwerer Arbeit, die im Stehen und Gehen verrichtet wird, sind es hingegen nur 12 Grad.

An dieser Stelle kommt die neue Verordnung ins Spiel. Seit 1. September schreibt sie bundesweit eine Abweichung von den genannten Werten vor. Für Betriebe werden alle im Regelwerk aufgeführten Temperatur-Mindestwerte (abgesehen von den 12 Grad bei schwerer Arbeit) um ein Grad abgesenkt. Für öffentliche Gebäude gelten die abgesenkten Werte als maximal zulässige Temperaturen. Davon ausgenommen sind medizinische Einrichtungen, Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kindertagesstätten sowie weitere Einrichtungen, bei denen höhere Lufttemperaturen in besonderer Weise zur Aufrechterhaltung der Gesundheit der sich dort aufhaltenden Personen geboten sind.

„Frieren muss trotzdem niemand“, erklärt Lehnhardt. „Denn die Bestimmung der Arbeitsstättenverordnung, dass Arbeitgeber für eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur in Arbeitsräumen sorgen müssen, gilt uneingeschränkt weiter. Die Temperatur auf einem bestimmten Niveau zu halten macht auch Sinn“, findet Lehnhardt. „Sonst besteht die Gefahr, dass viel Personal wegen Erkältungskrankheiten ausfällt. Weiterhin würde wahrscheinlich nicht mehr ausreichend gelüftet werden, was wiederum zu einer Schimmelbildung in den Gebäuden führen könnte.“

Hände waschen mit kaltem Wasser

Die leichte Abweichung um ein Grad von den Vorgaben der Technischen Regeln dürfte in den Augen der Arbeitsschützerinnen und Arbeitsschützer des Regierungspräsidiums in den meisten Fällen vertretbar sein. „Mit einer jahreszeitlich angepassten Kleidung – Pullover anstelle von T-Shirt oder Bluse – und etwas Bewegung kann der Gesundheitsschutz trotzdem sichergestellt werden“, betonen sie.

Die neue Verordnung fordert für öffentliche Gebäude zudem, dass Durchlauferhitzer abgeschaltet werden, wenn deren Betrieb überwiegend zum Händewaschen vorgesehen ist. Ausnahmen gelten für medizinische Einrichtungen, Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten und Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Einrichtungen, bei denen die Bereitstellung von warmem Trinkwasser für die bestimmungsgemäße Nutzung oder den Betrieb des Gebäudes erforderlich ist. „Nach dem Arbeitsstättenrecht ist es ohnehin ausreichend, wenn Handwaschbecken, zum Beispiel in Toilettenräumen, nur mit fließendem kalten Wasser ausgestattet sind“, verdeutlicht Lehnhardt. „Anders sieht es aus, wenn Waschräume und Duschen erforderlich sind – beispielsweise aufgrund von schmutzenden Tätigkeiten. Hier muss natürlich fließendes warmes und kaltes Wasser zur Verfügung stehen.“

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Oliver Keßler

Oliver Keßler

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