Gießen. Die Grube Fortuna ist ein Erlebnis vor der mittelhessischen Haustür, das es so europaweit kein zweites Mal gibt. Dem Eisenerz auf der Spur, geht es in dem Besucherbergwerk mit dem originalen Förderkorb bis zu 150 Meter in die Tiefe und sind Maschinen aus dem Bergbau live zu erleben. Sei es die einstündige Gruben- oder vierstündige Wetterüberhauentour: nach der Winterpause ging es kürzlich wieder in den Besucherbetrieb. Das ist aber nur möglich, wenn die zuständige Bergbehörde das gesamte Besucherbergwerk beanstandungsfrei abgenommen hat. In dem Fall ist das das Regierungspräsidium Gießen. Dessen Präsident Dr. Christoph Ullrich begleitete die Abnahme, von der Prüfung der Unterlagen bis hin zum finalen sehr feuchten Aufstieg durch einen 100 Meter hohen Schacht über 20 Leitern.
Ralf Ukleja war selbst unter Tage. Als Kind des Ruhrgebietes hat er seine ersten bergmännischen Erfahrungen im Steinkohlebergbau gesammelt. Nach dem Bergbaustudium und dem anschließenden Referendariat führte es ihn 1992 nach Hessen, zum damaligen Bergamt in Weilburg. Seit über 25 Jahren ist er in dem Dezernat Bergaufsicht des Regierungspräsidium Gießen tätig. „Glück auf“, tönt es ihm und dem Regierungspräsidenten beim Betreten des Zechenhauses entgegen. Es ist deutlich spürbar, dass Matthias Baum, Dietmar Czichowlass, Claus Morgenstern, Achim Schönberger und Michael Volkwein vom gemeinnützigen Trägerverein Geowelt Fortuna e. V. der Eröffnung mit Spannung entgegensehen. Zur Abnahme, die nach mehr als einer dreimonatigen Betriebspause notwendig ist, dreht sich zunächst alles um Unterlagen, wie Prüfbescheinigungen für Anlagenteile, TÜV-Berichte zur wiederkehrenden elektrischen Prüfung sowie die Abnahme der Seilfahrtanlage durch die DMT, einer Tochter des TÜV Nord.
Unterlagen einwandfrei
„Zeigen Sie mir doch mal das Betriebsbuch“, lautet das erste Anliegen von Ralf Ukleja. Am 9. März war bereits der Sachverständige für die Schachtrevision vor Ort gewesen, erfährt er. Auch die Abnahme des Elektrosachverständigen liegt vor, genauso wie die Teilnehmerliste der vorgeschriebenen Notfallübungen, Fluchtwegbefahrungen und Erste-Hilfe-Schulungen. Der Ordner ist voll und die Unterlagen sind einwandfrei geführt.
Dann geht es richtig los, allerdings erst einmal in die Höhe und nicht in die Tiefe. Das Fördermaschinenhaus befindet sich etwa 200 Meter oberhalb des Zechenhauses. Dort ist Chris Freiling der hauptamtliche Fördermaschinist, der von seinem Fahrstand aus mit mehreren Hebeln den Förderkorb im Schacht unter sich nach oben und unten bewegt. Über die mannshohe Fördermaschine rollt das mehr als daumendicke, geschmierte Förderseil. Das wird täglich kontrolliert, weil es besonders schwere Lasten sicher zu tragen hat. Die originale Technik früherer Industrietage aus dem Jahr 1958 funktioniert präzise und zuverlässig. Dafür sorgen auch zig Sicherheitsmechanismen, von der Kommunikation über Funk bis zur elektronischen Sicherheitsschranke im Förderkorb selbst.
Der steht als nächstes auf dem Programm. Schnell lernt der unwissende Besucher, dass Bergleute ein spezielles Vokabular haben und dass der Eingang neben dem Zechenhaus, über dem „Gott segne den Bergbau“ prangt, Stollenmundloch heißt. Der Stolz einer jahrhundertealten Zunft hat sich in die Sprache eingegossen. Hinab geht es mit dem Förderkorb zunächst auf eine Tiefe von 100 Meter, ein Bereich, der zu den Extra-Touren gehört. Auch hier hat der Mann von der RP-Bergaufsicht an der einen oder anderen Stelle noch Detailfragen, die versiert beantwortet werden. Insgesamt 32 Kilometer lang sind die Strecken auf den fünf Sohlen des Bergwerks.