Rundgang durch das Ankunftszentrum in Gießen (hinten von links) Pfarrer Andreas Lipsch (EKHN), Maria Bethke (Diakonie Hessen), Pfarrer Matthias Leschhorn (Evangelische Petrusgemeinde Gießen), Dr. Stephan Hölz (Leiter der Abteilung Flucht und Integration beim hessischen Ministerium für Soziales und Integration). Mitte von links: André Witte-Karp (Dekan des Evangelischen Dekanats Gießen), RP-Abteilungsleiter Manfred Becker; vorne von links: Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung und Dr. Christoph Ullrich.

Regierungspräsidium Gießen

Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung besucht Ankunftszentrum in Gießen

Delegation der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) informiert sich über Aufnahmeprozess von Geflüchteten

Gießen. Wie läuft der Aufnahmeprozesse von Geflüchteten in Hessen ab? Eine Frage, die in der aktuellen Situation viele Menschen beschäftigt. Auch die Vertreter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die mit einer Delegation um Kirchenpräsident Volker Jung nun das Ankunftszentrum der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH) am Standort in Gießen besuchten. Dort erhielten die Gäste, unter denen sich auch der Oberbürgermeister der Stadt Gießen, Frank-Tilo Becher, befand, einen Einblick in die Abläufe. Begrüßt wurden sie vom Hausherrn, dem Gießener Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich, zunächst im Hof des Ankunftszentrums. Anschließend ging es auf einen Rundgang über das Gelände, in dem die verschiedenen Verfahrensschritte aufgezeigt wurden, die die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft durchlaufen.

Das Regierungspräsidium Gießen ist seit November 2016 hessenweit für die Organisation und Steuerung der Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig. „Das Ankunftszentrum in Gießen bildet dabei das Herz“, umschrieb Ullrich den Startpunkt des Rundgangs. Er betonte in seinen einleitenden Worten, dass „uns hier in Hessen eine menschwürdige Unterbringung wichtig ist“. Konkret bedeute dies, „den ankommenden Menschen mehr zu bieten als nur ein Bett und ein Dach über dem Kopf“. Denn neben diesen wesentlichen Punkten zählten die Verpflegung, die medizinische Grundversorgung und auch soziale Angebote zu den Leistungen, die in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen geboten würden. „Uns es ist wichtig zu zeigen, dass hier gute Arbeit geleistet wird“, unterstrich der Regierungspräsident.

Große Flexibilität gefragt

Nach Worten von Kirchenpräsident Jung gehört es zu den wichtigen Aufgaben der Kirche, „Menschen auch ganz konkret in Notsituationen beizustehen“. Deshalb engagiere sich die evangelische Kirche bewusst auch in der Gießener Einrichtung. Jung: „Unser unabhängiges Beratungsangebot richtet sich vor allem an Geflüchtete, die sich in einem Asylverfahren befinden und konkrete Unterstützung brauchen, ihre Rechte wahrzunehmen und selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen.“

In Hochphasen erreichten zwischen 400 und 600 Menschen täglich die Einrichtung, die dann für einen geregelten Aufnahmeprozess sorge. Aktuell würden täglich zwischen 150 bis 170 Personen pro Tag aufgenommen. Die Belegungszahl der hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen liege momentan bei etwa 5200 Personen. Von den Bediensteten sei deshalb große Flexibilität gefragt, die diese immer wieder unter Beweis stellten, sagte RP Ullrich. Manfred Becker, Abteilungsleiter Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration, verdeutlichte die „Grundakzeptanz für das Ankunftszentrum, die in der Stadt Gießen vorhanden ist.“ Dann leitete RP Ullrich über zum Rundgang.

In einem ersten Schritt gelte es, die ankommenden Flüchtlinge zu registrieren. Wie dies abläuft, dazu erhielten die evangelischen Vertreterinnen und Vertreter um Kirchenpräsident Jung und der Oberbürgermeister einen ersten Einblick. Bei der Registrierung werden die Personalien aufgenommen, es findet eine Erfassung von biometrischen Daten zur erkennungsdienstliche Behandlung statt. Das vorhandene Gepäck und die Personen werden auf gefährliche Gegenstände kontrolliert, ein Covid-Test veranlasst. Es folgen weitere Schritte: Die Geflüchteten durchlaufen etwa eine Medizinische Untersuchungs- und Versorgungspassage (MUVP), um ihren gesundheitlichen Zustand festzustellen. Auch ein Impfangebot wird den Neuankömmlingen unterbreitet.

Ambulanz, Kita, Teestube und mehr

In dem Prozess greifen viele kleine Rädchen ineinander. So ist nicht alleine das Ankunftszentrum auf dem Gelände in Gießen untergebracht, auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist dort angesiedelt. Denn hier liegt die Zuständigkeit für den Asylantrag, erfolgt wenig später die Asylanhörung, die zunächst darüber entscheidet, ob die geflüchtete Person in Deutschland bleiben darf oder nicht. Zudem ist die Bundesagentur für Arbeit auf dem Areal des Ankunftszentrums vertreten. Die bietet für Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive die Möglichkeit, dort vorzusprechen.

Die Besucher sahen sich zudem die Liegenschaften an. Dazu zählt etwa das Transport- und Logistikzentrum. Von hier aus starten die Busse, um die Geflüchteten auf die weiteren Standorte zu verteilen oder sie nach ihrer Zuweisung in eine der Kommunen zu bringen. Organisiert ist das Ganze ähnlich einem Flughafen-Gate, mit den entsprechenden Wartehallen und einer Registrierungs- und Schalterhalle, wo die Vollständigkeit der Unterlagen kontrolliert wird. Daneben zählt ein weiterer Gebäudetrakt zum Bestandteil der Einrichtung. Dort ist eine Ambulanz untergebracht, die der medizinischen Versorgung der Einwohner gilt. Sie ist ähnlich eingerichtet wie eine Landarztpraxis. Verteilt auf dem Gelände finden sich weiterhin die Wohnunterkünfte und Räumlichkeiten für Unterricht, eine Kindertagesstätte oder eine Teestube.

Nach dem Rundgang schloss sich noch eine Gesprächsrunde an. „Was passiert mit Kindern, die in der Erstaufnahme untergebracht sind?“, wollte Kirchenpräsident Jung unter anderem wissen. Abteilungsleiter Becker erläuterte, dass Unterricht angeboten werde, unterteilt in Grundschul- und Fortgeschrittenen-Klassen. Diese Angebote würden „sehr gut angenommen“, schilderte Becker. Zum einen unterrichteten pensionierte Lehrer, zum anderen stelle das Schulamt Lehrkräfte bereit. Aufgrund der Sprachbarrieren werde viel mit Piktogrammen gearbeitet, dies habe sich als sehr erfolgreich erwiesen. Durch diesen Unterricht lernten die Kinder den Schulbetrieb kennen. Auch für die Gestaltung der Sprachkurse interessierte sich Jung. Für ihn sei klar, dass die am Ankunftszentrum in Gießen aufgebauten Strukturen langfristig erhalten werden müssen. Diese Annahme bestätigten RP Ullrich und Becker mit dem Hinweis, dass das Thema Flucht in der Zukunft bleiben wird.

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