Schmetterling im Blumenfeld

Regierungspräsidium Gießen

Kleine und große Kuriositäten der Natur

„Internationaler Tag zur Erhaltung der Artenvielfalt“ am Dienstag, 22. Mai: Regierungspräsidium Gießen feiert Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt

Gießen. Der „Internationale Tag zur Erhaltung der Artenvielfalt“ der Vereinten Nationen ist am Montag, 22. Mai. Der Aktionstag möchte das mannigfache und bunte Leben auf dem Planeten feiern. Zugleich soll auf die essentielle Bedeutung der Artenvielfalt als Grundlage des Lebens aufmerksam gemacht werden. Dass diese Fülle an Leben nicht selbstverständlich, sondern stark gefährdet ist, das ist leider genauso zutreffend wie bekannt. Um zu zeigen wie wunderbar vielfältig, aber manchmal auch wie kurios das Leben hier in Mittelhessen ist, haben die Naturschutzfachleute vom Regierungspräsidium Gießen faszinierende, teils skurrile Beispiele und „Wussten Sie, dass…?“-Fakten zusammengestellt. Das Dezernat für Natur- und Artenschutz ist zuständig für den Erhalt der Biodiversität, den Schutz von freilebenden sowie die Überwachung des Handels mit geschützten Tier- und Pflanzenarten.

Den Anfang machen die „frühen Vögel“ im Tierreich oder besser gesagt die frühen Schmetterlinge. Wer sich schon einmal gefragt hat, wie diese fragilen Schönheiten es schaffen, so früh im Jahr unterwegs zu sein: hier kommt die Antwort. Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs zum Beispiel überwintern als erwachsener Schmetterling an geschützten Orten. Das bringt ihnen einen Vorteil gegenüber anderen Faltern, die erst später im Jahr schlüpfen.

Besonders hart im Nehmen ist der Zitronenfalter, der sogar wenige Stunden nach Nachtfrösten umherflattern kann. Er überwintert fast ungeschützt im Freien, etwa in Baumspalten oder Efeudickicht, sogar an der Unterseite von Blättern, getarnt durch seine grünlich-gelbe Farbe. Sein Geheimnis ist eine Art eingebautes Frostschutzmittel. So übersteht er Temperaturen bis zu minus 20 Grad und es reichen schon erste wärmende Sonnenstrahlen, um ihn zu erwecken.

Weiter geht es mit anderen wichtigen Bestäubern: Wildbienen. In Deutschland kommen mehr als 500 wildlebende Bienen- und Hummelarten vor, manche mit faszinierenden Angewohnheiten. Die meisten Wildbienen bauen ihre Nester in den Boden, andere in Nischen oder in Pflanzenstengel. Eine Besonderheit sind dabei Blattschneider-Bienen. Wie ihr Name schon sagt, schneiden sie mit ihren Mundwerkzeugen ovale bis kreisrunde Stücke aus Blättern verschiedener Pflanzen, rollen sie zusammen und tragen sie im Flug zu ihren Niströhren, um damit die Brutkammern für ihre Eier auszupolstern.

Ebenfalls kurios sind Schneckenhaus-Bienen, die leere Schneckenhäuser als Brutraum nutzen. Sie legen aber nicht einfach nur ihre Eier in die Häuschen ab, sie sammeln zudem kleine Steinchen, mit denen das Häuschen verschlossen wird. Danach transportieren sie noch Pflanzenstiele und -halme zum Nest, um es darunter zu verstecken. Es wurden schon Exemplare beobachtet, die Pflanzenteile bis zu zehn Zentimeter Länge zum Nest geflogen haben. Sehr beeindruckend für so ein kleines Lebewesen.

Eine Besonderheit bei der Brutpflege zeigt auch die Geburtshelferkröte. Diese mit nur 5,5 Zentimeter relativ kleine Amphibienart nutzt viele Gewässer als Laichplatz, u.a. in Steinbrüchen, Tongruben, auf militärischen Übungsplätzen oder auch im Siedlungsbereich in Gärten oder Freihöfen. Kurios bei ihr: Nach der Paarung trägt das Männchen die befruchteten Eier als Paket um die Hinterbeine gewickelt mit sich herum, bis die Larven schlüpfen und ins Wasser abgesetzt werden. So wird der Laich vor gefräßigen Fischen bewahrt, bis er groß genug ist, vor Feinden entkommen zu können.

Auch manche Fische zeigen erstaunliche Eigenschaften. Die Äsche etwa kommt in der oberen Lahn vor. Ihren lateinischen Namen „Thymallus thymallus“ trägt sie, weil sie nach Thymian duftet. Oder wer weiß schon, dass der Schlammpeitzger, ein in schlammigem Boden stehender und sehr langsam fließendem Gewässer lebender Fisch, durch seinen Hintern atmen kann? Diese Darmatmung unterstützt die Kiemenatmung so gut, dass er auch sehr sauerstoffarme Gewässer besiedeln kann.

Ein wahrer Winzling im Schneckenreich ist die Rhönquell-Schnecke. Mit zwei Millimetern ist sie nicht mal halb so groß wie ein Stecknadelkopf. Noch besonderer ist, dass sieweltweit nur im Länderdreieck Hessen, Thüringen und Bayern, u.a. im Vogelsberg, vorkommt und hier wiederum nur an sehr wenigen Standorten. Die winzigen Schnecken sind an gleichmäßig kaltes und unbelastetes Quellwasser angewiesen. Solche Standorte sind inzwischen sehr selten geworden.

Nicht die schnellsten, aber nicht weniger faszinierend sind Schnecken. Viele Arten, darunter die heimische Weinbergschnecke, sind zwittig, also besitzen beide Geschlechtermerkmale. Deren Paarung kann bis zu 20 Stunden dauern. Dabei beschießen sich beide Partner mit hormongetränkten, etwa zehn Millimeter langen „Liebespfeilen“ aus Kalk, um das Geschlecht und diejenige Schnecke zu bestimmen, die schlussendlich die Eier ablegt.

Was kann ich tun?

Wenngleich sehr verschieden, so haben diese Arten eines gemeinsam: sie sind in ihrem Bestand gefährdet. Insgesamt stehen zurzeit mehr als 150.000 Arten in Deutschland auf der Roten Liste – mehr als 42.100 davon gelten als vom Aussterben bedroht. Die wichtigsten Gründe für den weltweiten Rückgang an Arten ist die Zerstörung von Lebensräumen, eingeschleppte invasive Arten und der menschgemachte Klimawandel.

Um den Artenschwund zu stoppen, kann jeder und jede mit aktiven Entscheidungen im Alltag dazu beitragen, Lebensräume und Arten zu schützen. So etwa mit Blick auf offizielle Gütesiegel für Waren und Leistungen, die sich für nachhaltige, natur- und tierverträgliche Bewirtschaftung einsetzen. Ob im Supermarkt, beim Möbel- oder Kleidungskauf, in der Ernährung, bei der Entscheidung, statt das Auto zu nehmen auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Rad umzusteigen, beim Spaziergang in Schutzgebieten auf den ausgewiesenen Wegen zu bleiben oder im eigenen Garten und auf dem Balkon naturnah zu gärtnern. All dies sind kleine Entscheidungen, die Großes bewirken können.

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Oliver Keßler

Oliver Keßler

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