Julia Heinze sitzt vor einem Hamsterbau. Drei Personen schauen ihr zu und hören ihre Erklärungen.

Regierungspräsidium Gießen

„Stabilste Feldhamsterbestände in Hessen und höchste Dichte an Rebhühnern bundesweit“

Gießen-Süd: Beteiligte ziehen nach fünf Jahren Bilanz – Projekt wird bis Ende 2026 verlängert

Gießen. Wer an der Grüninger Warte unterwegs ist, wird mit einem herrlichen Ausblick in alle Himmelsrichtungen belohnt. Wer dazu noch ein Fernglas zückt, die Ohren spitzt und die Augen abwechselnd in den Himmel, auf den Boden und in die Umgebung richtet, merkt schnell: Der Bereich ist für Tiere ein wahres Paradies. Rebhühner, Hamster, Feldlerchen und viele andere Arten fühlen sich hier wohl – sehr zur Freude der Arbeitsgruppe „Feldflurprojekt Gießen-Süd“. Deren Mitglieder, etwa 25 Frauen und Männer, trafen sich auf Initiative des Regierungspräsidiums Gießen in Pohlheim, um nach fünf Jahren Bilanz zu ziehen. Auch wenn es dabei vorrangig um die Populationen von Hamster und Rebhuhn ging, so war doch klar: „Mit dem Feldflurprojekt tun wir vielen Arten einen Gefallen“, fasste Dr. Tobias Erik Reiners, Vorsitzender der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) zusammen. Umso mehr freuten sich alle Beteiligten über die Nachricht, dass das Projekt bis Ende 2026 verlängert wird.

2018 hat das hessische Umweltministerium hessenweit Feldflurprojekte ins Leben gerufen, um dem gravierenden Rückgang von Feldhamster, Rebhuhn und Co. entgegenzuwirken. Im Projektgebiet „Gießen-Süd“ koordiniert das Regierungspräsidium Gießen gemeinsam mit der Abteilung für den ländlichen Raum der Landkreise Lahn-Dill und Gießen die Bemühungen aller haupt- und ehrenamtlichen Akteure – darunter Landwirte, Jäger, Behörden, Naturschutzverbände sowie die Kommunen Langgöns, Pohlheim, Linden, Hüttenberg und die Stadt Gießen. Auf einer Fläche von 3.300 Hektar werden verschiedene Maßnahmen zum Schutz von Feldhamster, Rebhuhn und Feldlerche gefördert. Mitte 2019 ging es im Bereich Gießen-Süd richtig los. Jetzt, nach fünf Jahren, ist klar: „Das Projektgebiet Gießen-Süd kann die stabilsten Feldhamsterbestände in Hessen und die höchste Dichte an Rebhühnern bundesweit vorweisen“, freute sich Bettina Schreiner von der Oberen Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Gießen.

Moritz Mattern von der Hegegemeinschaft Grüningen informierte über die Arbeit der Hegegemeinschaft und der Jäger.
Moritz Mattern von der Hegegemeinschaft Grüningen informierte über die Arbeit der Hegegemeinschaft und der Jäger.

Dass das nicht von ungefähr kommt und mit viel Arbeit und auch finanziellem Aufwand verbunden ist, wurde bei der gut zweistündigen Exkursion deutlich. Das beginnt schon bei der Zucht der Tiere und geht bei der Auswilderung und der folgenden Beobachtung weiter. Auf der Grüninger Warte wurden im vergangenen Jahr erstmals Tiere ausgewildert, 24 an der Zahl. 2024 kamen weitere 19 dazu, wie Julia Heinze von der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz der HGON berichtete. Schon davor gab es an dieser Stelle recht viele Feldhamster. Die Auswilderungen dienten daher nicht nur der Vermehrung der Bestände, sondern vor allem dem genetischen Austausch der Vorkommen. In diesem Jahr wurden bereits 46 neue Tiere gezählt. „Alle Tiere sind gechipt, sodass wir konkrete Zahlen liefern können. Jeden Monat werden die Hamster gefangen und wir schauen, ob und wie sie sich vermehrt haben“, erklärte sie. In Langgöns wird schon seit drei Jahren ausgewildert. Hier wurden in diesem Jahr 275 Individuen nachgewiesen. „Das ist die drittstärkste Population in Hessen, ein toller Erfolg“, freute sich Julia Heinze.

Idealer Lebensraum

Dazu tragen viele Menschen bei. Zum Beispiel die Familie Fay vom Hof Obersteinberg in Pohlheim, die die Auswilderungsfläche an der Grüninger Warte bewirtschaftet. Die Fläche, etwa drei Hektar groß, ist vom Frühjahr bis zum Herbst eingezäunt. Das soll insbesondere Fressfeinde wie Füchse und Waschbären fernhalten. Die eigentliche „Maßnahme“ zum Schutz der Hamster erstreckt sich auf zwei Hektar. Hier wachsen Getreide und Klee und es blühen Blumen – ein idealer Lebensraum, der abwechslungsreiche Nahrung bietet und genug Möglichkeiten, um sich vor Fressfeinden zu verstecken. Inzwischen finden sich auch rund um die Fläche zahlreiche Spuren der Hamster, die seit 2020 als weltweit vom Aussterben bedroht eingestuft werden.

Kleine Fähnchen stehen auf einem Feld. Sie zeigen, wo Hamsterbaue sind.
Kleine Fähnchen an der Grüninger Warte zeigen, an welchen Stellen sich Hamsterbaue befinden.

Neben den Landwirten bringen sich auch die Jagdpächter ein. Sie sorgen aber nicht nur dafür, dass Fressfeinde reduziert werden, sondern pflegen zudem Hecken und legen Blühstreifen an. „Die Zusammenarbeit ist wichtig“, betonten Dr. Tobias Erik Reiners und Moritz Mattern, Vorsitzender der Hegegemeinschaft Grüningen, unisono. „Der Hegegemeinschaft, der die Jagdpächter und Jagdgenossenschaften aus Pohlheim, Linden, Fernwald und Langgöns angehören, ist es außerdem wichtig, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Wir haben daher aus eigenen Mitteln Schilder entwerfen lassen und angeschafft“, sagte Mattern. Auf ihnen ist zusammengefasst, worauf Spaziergänger, Freizeitsportler und Hundebesitzer im Feld achten sollten – nicht nur um Hamster und Rebhühner, sondern um Tiere und Pflanzen im Allgemeinen zu schützen.

„Es bleibt spannend“

Was die Rebhühner angeht, sind die Zahlen ebenso erfreulich. Matthias Korn vom Büro für faunistische Fachfragen in Linden beobachtet die Tiere an der Grüninger Warte bereits seit 2019. Im Februar beginnt die Balz, bei der die Hähne mit lauten Rufen Weibchen anlocken. Mehr als 30 solcher Rufplätze hat er in diesem Jahr ausgemacht. Wie viele Tiere es tatsächlich sind, ob sie hier leben oder sich nur zum Balzen treffen, lässt sich aber nicht sagen. Das zählt zu den Fragen, denen sich die Arbeitsgruppe in den kommenden beiden Jahren widmen möchte. „Wo brüten die Rebhühner und wo verbringen sie den Winter? Wie viele der Nachkommen schaffen es, sich zu reproduzieren und wovon hängt das ab? So vieles ist noch nicht beantwortet, auch bezogen auf die Hamster“, fasste RP-Mitarbeiterin Bettina Schreiner zusammen. „Es bleibt also spannend.“ 

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Oliver Keßler

Oliver Keßler

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