Blick auf eine Streuobstwiese mit grünem Rasen und Obstbäumen

Regierungspräsidium Gießen

„Streuobstwiesen schützen, pflegen und wo möglich mehren“

Vor 70 Jahren besiegelte der Emser Beschluss das Aus vieler Obstbäume – Streuobstwiesen sind heute gesetzlich geschützt – Regierungspräsidium Gießen unterstützt Anpflanzungen finanziell

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Gießen. Es ist Herbst. Äpfel und Birnen hängen reif an den Bäumen und warten darauf, geerntet zu werden. Menschen rücken mit Leitern, Körben und Wannen aus, häufig in Begleitung von Kindern, um Obst für einen leckeren Kuchen, zum Saftpressen oder einfach nur zum Essen mit nach Hause zu nehmen. Oder aber sie machen sich sogar die Mühe und bringen das geerntete Obst zentnerweise zu einer Kelterei. „Ja, die Ernte macht viel Arbeit“, weiß der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich aus eigener Erfahrung. Gerade wer eine Streuobstwiese besitzt, kann davon ein Lied singen. Die sind heute – Stichwort Biodiversität – wichtiger denn je. „Das war nicht immer so“, erinnert Reiner Diemel, Leiter des RP-Dezernats für Forsten und Naturschutz. Ganz konkret meint er damit den Emser Beschluss, gefasst am 15. Oktober 1953, also vor 70 Jahren. Der besiegelte letztlich das Aus vieler Streuobstwiesen.

Bereits ab dem 17. Jahrhundert war der Obstanbau deutlich ausgeweitet worden. „Neben den Streuobstwiesen wurden Alleen angelegt und auch Einzelbäume gepflanzt. Die absolutistischen Herrscher der damaligen Zeit hatten die Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung erkannt. Der Höhepunkt wurde in den 1920er und 1930er Jahren erreicht. Parallel dazu entwickelte sich bereits damals der intensive Anbau in Obstplantagen“, blickt Diemel zurück.

Sie beherbergen viele geschützte Pflanzenarten, sind Heimat vieler Insekten- und Spinnenarten, die wiederum Nahrungsgrundlage für viele Vogelarten sind. Kurzum, sie sind Brennpunkte der Biodiversität.

Reiner Diemel Dezernatsleiter

Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und den von Hunger geprägten Nachkriegswintern standen agrarpolitisch ganz im Zeichen der Ernährungssicherung der Bevölkerung. Ein Meilenstein dieser Politik war der sogenannte Emser Beschluss des damaligen Bundesernährungsministeriums an jenem 15. Oktober 1953. Darin hieß es: „Für Hoch- und Halbstämme wird kein Platz mehr sein. Streuanbau, Straßenanbau und Mischkultur sind zu verwerfen.“ Noch bis 1974 zahlte die Europäische Gemeinschaft Rodungsprämien für Hochstammobstbäume. Der Straßen- und Siedlungsbau taten ihr Übriges. Insgesamt sind in Deutschland, mit erheblichen regionalen Unterschieden, circa 75 Prozent der Hochstammobstbäume verloren gegangen.

Heute sind Streuobstwiesen in Hessen und in allen übrigen Bundesländern gesetzlich geschützte Biotope und dürfen aus diesem Grund weder zerstört noch erheblich beeinträchtigt werden. „Sie beherbergen viele geschützte Pflanzenarten, sind Heimat vieler Insekten- und Spinnenarten, die wiederum Nahrungsgrundlage für viele Vogelarten sind. Kurzum, sie sind Brennpunkte der Biodiversität“, betont Reiner Diemel. In Hanglagen schützen sie vor Bodenerosion und sie bereichern das Landschaftsbild und laden zum Verweilen und Genießen ein. „Gute Gründe also, diesen Schatz unserer Kulturlandschaft zu schützen, zu pflegen und wo möglich zu mehren.“

Gut 4.200 Bäume gefördert

Hier leistet das Regierungspräsidium Gießen gleich in zweierlei Hinsicht einen wichtigen Beitrag. Zum einen fördert es mit einem Pauschalbetrag die Anpflanzung von Hochstämmen traditioneller regionaltypischer Sorten. Privatpersonen, Verbände und Kommunen können sich direkt mit der Behörde in Verbindung setzen. Dabei sind verschiedene Vorgaben, unter anderem die Wahl der Sorte oder Pflanzabstände, zu beachten. Zum anderen stellt das Regierungspräsidium den Landkreisen Gießen, Vogelsberg und Marburg-Biedenkopf Gelder für deren Streuobstprogramme zur Verfügung. „In den Jahren 2016 bis 2022 wurde auf diese beiden Wege die Pflanzung von gut 4.200 Hochstammobstbäumen gefördert. Dieses Jahr kommen wieder einige Hundert dazu“, berichtet Martin Schab von der Oberen Naturschutzbehörde. Bei Fragen zum Thema oder einer möglichen Förderung können sich Interessierte direkt an ihn wenden (Martin.Schab@rpgi.hessen.de).

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