Gießen/Fuldatal. „Transparenz ist für unsere Arbeit besonders wichtig.“ Deshalb hatte der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich einen ungewöhnlichen Rundgang organisiert. Ab Ende März werden in der ehemaligen Fritz-Erler-Kaserne in Fuldatal-Rothwesten die ersten Flüchtlinge erwartet. Aktuell rollen noch Bagger und sind Arbeiter dabei, die Gebäude für die Ankunft vorzubereiten. Insgesamt sechs Wohngebäude sollen nach und nach mit bis zu 560 Asylsuchenden belegt werden. Über den aktuellen Stand zu berichten, hatte der Gießener RP nicht nur Vertreterinnen und Vertreter von Medien eingeladen. Daneben nutzten der Gemeindevorstand von Fuldatal mit Bürgermeister Karsten Schreiber und der Kasseler Regierungspräsident Mark Weinmeister die Chance, sich zu informieren.
„Das Thema Flüchtlinge ist ein Thema, das die Menschen bewegt“, berichtet Regierungspräsident Ullrich am Eingang des weitläufigen Areals. „Und deshalb wollen wir auch über unsere Arbeit berichten.“ Das Regierungspräsidium ist hessenweit für die Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig. Die dramatischen Ereignisse in der Ukraine sind jedoch nicht der Anlass für diesen Standort. Bereits im November hatte die Landesregierung wegen steigender Zugänge beschlossen, neben Darmstadt und Friedberg die ehemalige Kaserne als dritten weiteren Standort der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH) aufzumachen. Aktuell leben rund 4000 Menschen an sechs Standorten und in vier angemieteten Jugendherbergen.
„Für Fuldatal ist dies ein besonderer historischer Ort.“
Der erst kürzlich in sein Amt als Kasseler Regierungspräsident eingeführte Mark Weinmeister hatte im November noch im Kabinett die drei neuen Standorte auf den Weg gebracht. „Insofern holt mich hier die eigene Geschichte wieder ein.“ Er skizziert in Kürze die bewegte Geschichte der Kaserne, vom Bau in der NS-Zeit über die US-Army und die 50 Tage dauernde Währungskonklave, die 1948 hier geheim die Währungsreform vorbereitete, bis zur Bundeswehr-Ära, die 2008 endete: „Für Fuldatal ist dies ein besonderer historischer Ort.“ Erfahrungen mit Asylsuchenden hatte die Gemeinde bereits 2015 gesammelt. „Wir hatten bis zu 1000 Menschen hier oben inklusive der Einrichtung des Landkreises“, erinnert sich Bürgermeister Karsten Schreiber. Und er betont: „Die Welt können wir uns ja nicht schönreden.“ Dabei zielt der Bürgermeister auf die aktuelle Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine an, deren Größe für Deutschland niemand derzeit realistisch abschätzen kann. „Wir tragen auch jetzt wieder unseren Beitrag bei, um Menschen in existenzieller Not zu helfen.“
Manfred Becker, Leiter der RP-Abteilung für Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration, berichtet den rund 15 Gästen von der Aufnahmepraxis am größten Standort in Gießen, dass die Menschen unmittelbar nach ihrer Ankunft registriert, erkennungsdienstlich erfasst und medizinisch untersucht werden und danach - wegen der Coronalage – eine Ankunftsquarantäne durchlaufen. Nur Freigetestete werden später auf andere Standorte wie den in Fuldatal verteilt. „Wir setzen in der Verwaltung nur eigenes Personal ein, greifen aber bei den Themen Sicherheit, Sozialbetreuung, medizinische Versorgung oder auch Catering auf externe Dienstleister zurück.“
Der kommissarische Standortleiter Wolfhard Krönert führt mit seinem Stellvertreter Reinhold Knieling über das Areal. Beide waren schon 2015 verantwortlich dabei und haben viel Erfahrung, mit den Menschen, aber auch den Gebäuden. Die Gruppe betritt das Empfangsgebäude. Während einige Wohngebäude bereits mit Doppelstockbetten, Tischen und Schränken bestückt worden sind, wird hier nach einer Grundreinigung der Einzug erst noch stattfinden, genauso wie in der medizinischen Abteilung. Die Sanitäranlagen befinden sich auf dem Innenhof der insgesamt sechs Wohngebäude. Auf dem Gelände wird es WLAN-Hotspots geben, „denn das ist für die Menschen das wichtigste, um in Kontakt zu bleiben“, erklärt Manfred Becker.
„Wir suchen Unterkünfte in entsprechender Größe“, erläutert RP Ullrich den Grund, warum gerade die frühere Fritz-Erler-Kaserne als neuer, alter Standort ausgesucht worden ist. „Und davon gibt es in Hessen nicht sehr viele.“ Die Modernisierungsarbeiten seien voll im Plan. „Das, was wir hier machen, ist keine Veranstaltung hinter verschlossenen Türen und wir wollen zeigen, was wir tun.“