Gießen. Wenn im Herbst und Winter in den Hausarztpraxen Hochbetrieb herrscht und sich die Krankschreibungen häufen, wird gerne von der sogenannten Grippewelle gesprochen. Nicht immer hat man es mit der echten Grippe (Influenza) oder mit dem Corona-Virus zu tun, dennoch ist dann in jedem Jahr ein starker Zuwachs an Erkältungskrankheiten zu verzeichnen. Fühlen sich die Viren in der kalten Jahreszeit besonders wohl? „Das kann man tatsächlich so sagen, denn im Winter herrscht im Allgemeinen eine geringere Luftfeuchtigkeit“, erklärt Holger Lehnhardt vom Regierungspräsidium Gießen. Das für Arbeitssicherheit zuständige RP Gießen gibt Tipps, wie man in der kalten Jahreszeit bei der Arbeit oder auch zu Hause buchstäblich nicht auf dem Trockenen sitzt.
Es ist mittlerweile erwiesen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Luftfeuchtigkeit und der Aktivität von Erkältungsviren besteht. „Bei gesunder Luftfeuchtigkeit sterben Viren außerhalb des Körpers innerhalb von Minuten ab“, berichtet Lehnhardt weiter. Ein kritischer Wert liegt bei etwa 40 Prozent. Wird dieser unterschritten, sind die Viren mehrere Stunden lang überlebensfähig. „Sie haften an feinsten Tröpfchen, die sich beispielsweise durch Husten oder Niesen in großen Mengen im Raum verteilen.“ Sehr kleine Tröpfchen schweben wie Staub durch den Raum und können von anderen Menschen eingeatmet werden. „Diese mit Viren bepackten Aerosole führen dann manchmal dazu, dass ganze Familien oder auch große Teile einer Belegschaft innerhalb von Tagen darniederliegen“, berichtet der RP-Fachmann.
Neben den Viren kommt noch ein weiteres Phänomen hinzu, das bei Trockenheit das Infektionsrisiko erhöht. „Feuchtere Luft ist in der Lage, eine größere Menge Staub zu binden.“ Dabei gilt die Regel: je trockener, umso mehr. „Dieser Staub reizt die Augen und Atemwege sowie die Schleimhäute, die ohnehin schon unter der trockenen Luft leiden.“
Regelmäßig lüften
Stellt sich die Frage, wie hoch sollte die Luftfeuchtigkeit sein und wie kann sie ermittelt werden? Diese wird mit Hilfe eines Hygrometers gemessen. Für Innenräume gilt zwischen 40 und 60 Prozent als gesunder Wert. Allerdings hängt ein behagliches Raumklima auch noch von zwei weiteren wesentlichen Faktoren ab, nämlich von der Lufttemperatur und der -bewegung.
„Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten geben je nach Körperhaltung und Arbeitsschwere verschiedene Mindestwerte für die Lufttemperatur in Arbeitsräumen vor“, erläutert Holger Lehnhardt. Diese schwanken von zwölf Grad bei schweren stehenden oder gehenden Tätigkeiten bis hin zu 20 Grad bei einer leichten, sitzenden Arbeit. Als Maximalwert für Arbeitsräume sind 26 Grad Lufttemperatur angegeben. Die Luftbewegung im Raum soll so gestaltet sein, dass keine Zuglufterscheinungen auftreten. In den Technischen Regeln für Arbeitsstätten wird ein mittlerer Luftgeschwindigkeitswert von 0,15 Meter pro Sekunde (m/s) genannt, der nicht überschritten werden sollte. Spätestens seit Corona ist auch bekannt: der Luftaustausch ist von großer Bedeutung. Belastete Raumluft lässt sich insbesondere durch regelmäßiges Querlüften gut aus den Arbeitsräumen beseitigen.
Was kann aber gegen zu trockene Luft getan werden? Es liegt auf der Hand: Die Luft muss befeuchtet werden. Das Angebot für Luftbefeuchter ist auf den ersten Blick unübersichtlich. Angepriesen werden Nebelbrunnen, Luftwäscher, Verdunster, Verdampfer, Diffusoren, Zerstäuber und sogar bestimmte Zimmerpflanzen, die besonders viel Wasser an die Luft abgeben. Und alle verbessern das Raumklima – glaubt man den Beschreibungen – auf hervorragende Art und Weise. „Schaut man etwas genauer hin, reduziert sich die Auswahl im Wesentlichen auf drei gängige Gerätetypen“, klärt der RP-Experte auf.
Gängige Gerätetypen
Verdunstergeräte bestehen etwa aus einem Wasserbehälter mit einem Einsatz aus feinporigem Material. „Dieser Einsatz saugt Wasser mittels Kapillarwirkung auf, das an seiner sehr großen Oberfläche verdunstet.“ Ein Ventilator bläst die dadurch entstehende feuchte Luft in den Raum. Der Stromverbrauch ist in der Regel gering, genauso wie der Pflegeaufwand. Zum Entkalken können haushaltsübliche Mittel verwendet werden. Mit einer Verkeimung (z.B. durch Legionellen) muss bei diesen Geräten üblicherweise nicht gerechnet werden. Achtung beim Kauf: Das Gebläse sollte möglichst leise sein. Denn Verdunster müssen lange laufen, bis sich die Luftfeuchtigkeit spürbar erhöht.
„Verdampfergeräte funktionieren nach demselben Prinzip wie ein Wasserkocher“, sagt Lehnhardt. In einem Behälter wird Wasser durch Hitze in Wasserdampf überführt, der die Raumluft befeuchtet. „Auch diese Geräte sind aus hygienischer Sicht weitgehend unbedenklich, jedoch verbrauchen sie viel Strom. Dafür stellt sich der Erfolg schneller ein, als bei Verdunstern.“ Auf ein wichtiges Sicherheitsmerkmal sollte geachtet werden: Der Verdampfer sollte sich automatisch abschalten, wenn kein Wasser mehr im Behälter ist.
Als dritte gängige Variante sind die Wasservernebler zu nennen. Dabei wird Wasser durch Ultraschall in eine hochfrequente Schwingung versetzt. Feinste Tröpfchen lösen sich aus dem Wasser, die einen Nebelschleier bilden. „Durch diesen Nebel erreicht man eine gute Luftbefeuchtung bei geringem Stromverbrauch.“ Der Nachteil: Nebel ist auch ein gutes Transportmittel für Keime und für Kalk. „Wird das Wasser nicht regelmäßig gewechselt, besteht die Gefahr, dass sich eine mikrobielle Verkeimung entwickelt. Die Keime können mit dem Nebel eingeatmet werden.“ Wird Wasser mit einem hohen Kalkanteil verwendet, kann sich beispielsweise auf den Möbeln in der Nähe der Geräte ein weißer Kalkfilm bilden.
Die Preisspanne ist bei Luftbefeuchtern je nach Bauart, Leistung und Design sehr groß. Während kleine Ultraschall-Vernebler schon für weniger als 20 Euro angeboten werden, kann man bei hochwertigen Verdunstermodellen auch mal gut und gerne 400 Euro hinblättern. Vor einer Kaufentscheidung sollte auf jeden Fall an mehreren Tagen, möglichst bei unterschiedlichen Wetterlagen, die Luftfeuchtigkeit gemessen werden. Gängige Hygrometer sind im Handel schon für etwa zehn Euro erhältlich. Meistens messen sie die Luftfeuchtigkeit zusammen mit der Temperatur. „Der Messpunkt sollte dort gewählt werden, wo sich üblicherweise die Personen in dem Raum aufhalten.“ Steht das Hygrometer nahe an der Heizung oder am Fenster, kann dies die Messung verfälschen.
„Für Arbeitsräume ist es übrigens keine Kür, sondern ein Muss, dass sich der Arbeitgeber um ein gutes Raumklima kümmert“, sagt der Arbeitsschützer. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung spielen auch die sogenannten Arbeitsumgebungsfaktoren wie Licht, Geräuschpegel oder eben auch das Klima eine Rolle. Dabei ist der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene maßgeblich, der für Arbeitsräume in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten beschrieben ist. „Gute Bedingungen tragen dazu bei, dass man sich am Arbeitsplatz wohlfühlt und Ausfalltage durch Krankheit niedrig gehalten werden“, sagt der RP-Fachmann. Arbeitsplätze mit einem gesunden Raumklima seien somit ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor.