Regionalplan-Entwurf

Regierungspräsidium Gießen

Wichtige Beschlüsse für die Entwicklung der Region

Regionalversammlung Mittelhessen in Wetzlar: Elf Grundsatzpapiere als wichtige Richtschnur für künftigen Regionalplan Mittelhessen diskutiert und beschlossen

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Gießen/Wetzlar. Die Regionalversammlung Mittelhessen (RVM) hat im Kreishaus des Lahn-Dill-Kreises in Wetzlar getagt. Dabei wurden vor allem elf Grundsatzpapiere für die Neuaufstellung des Regionalplans Mittelhessen beraten und schließlich beschlossen. Diese sind eine wichtige Richtschnur, wie mit den eingegangenen Stellungnahmen umgegangen wird. In einem bisher einmalig umfangreichen Prozess sind im ersten Beteiligungsverfahren rund 1.600 Stellungnahmen mit etwa 7.600 Einzelanträge eingegangen. Ebenfalls auf der Tagesordnung stand der sogenannte Rotor-Out-Beschluss, mit dem der mittelhessische Beitrag zur Energiewende sichergestellt werden soll.

Viele Beratungen hatte es vor bereits vor der Genehmigung des Entwurfs durch die Regionalversammlung im September 2021 gegeben, in die auch die 101 betroffenen Städte und Gemeinden waren zuvor in einem frühen Stadium eingebunden worden. Zuletzt ist der beschlossene Planentwurf bis Mitte März vergangenen Jahres offengelegt worden, mit einer enormen Resonanz, wie Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich in seiner Rede berichtet. Behörden, Unternehmen und mittelhessische Bürgerinnen und Bürger hatten die Gelegenheit genutzt und eine Stellungnahme abgegeben. Dies ging auf drei Wegen: per Post, über E-Mail und erstmals auch auf einer digitalen Beteiligungsplattform.

Fast 8.000 Anregungen und Bedenken

Wegen der außerordentlich hohen Zahl eingegangener Stellungnahmen habe es „einige Zeit gedauert, bis sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Oberen Landesplanungsbehörde einen Überblick über die einzelnen Antragsziele verschafft und erste Gedanken zu einer Erwiderung aus fachlicher Sicht gemacht haben“, erläuterte RP Ullrich. Dies sei bei dem vorliegenden Regionalplan-Entwurf auch wegen der vielfach sehr konträren Stellungnahmen nicht ganz einfach gewesen: „So wurde oft ein und dieselbe Fläche, die im Planentwurf für eine Siedlungsentwicklung vorgesehen war, von den einen heftig abgelehnt, während andere sie als viel zu klein für den vor Ort erwarteten Wohnsiedlungsflächenbedarf eingeschätzt haben.“ Die hohe Zahl kann nicht verwundern, erstreckt sich der mittelhessische RP-Bezirk doch auf die fünf Landkreise und Distanzen zwischen Limburg und Schlitz in der Ost-West-Richtung sowie zwischen Münchhausen und Hungen von Norden nach Süden und betrifft über eine Million Menschen.

In ihrer Sitzung hat sich die Regionalversammlung nun mit den wesentlichen Inhalten der Zuschriften befasst. Damit bei fast 8.000 Anregungen und Bedenken der Überblick behalten werden kann, sind zuvor insgesamt elf Grundsatzpapiere als Orientierung entwickelt und in den vergangenen Monaten diskutiert worden. Diese sind übertitelt in die Kategorien: Regionale Raumstruktur, Bevölkerungsentwicklung und Siedlungsflächen, Industrie- und Gewerbeflächen, Arten- und Biotopschutz, Regionaler Grünzug, Siedlungsklima, Landwirtschaft Teil 1 und 2, also einschließlich Photovoltaik-Freiflächenanlagen, Forstwirtschaft, Rohstoffsicherung und -abbau sowie Regionale Infrastruktur – Verkehr.

„Aufgabe der Grundsatzpapiere ist es“, betonte RP Ullrich während der Sitzung, „ausgehend von einem Überblick über die Ergebnisse der Beteiligung die grundlegenden Vorgaben für die weitere Bearbeitung aufzuzeigen.“ Und in Richtung der anwesenden RVM-Vertreterinnen und Vertreter fügte er hinzu: „Zu jedem Grundsatzpapier haben Sie, meist nach intensiven Diskussionen, eine Beschlussempfehlung abgegeben, teilweise mit Änderungen gegenüber dem Entwurf der Verwaltung.“ In der abschließenden Beratung sind alle Grundsatzpapiere angenommen worden. Außerdem ist ein Kriterienkatalog zum regionalplanerischen Ziel „Trassensicherung von ehemaligen Bahnstrecken“ verabschiedet worden.

In 13 Sitzungen Thema

Auch der Vorsitzende der Regionalversammlung Mittelhessen Klaus Weber zeigt sich mit den bislang erzielten Ergebnissen zufrieden: „Seit Januar haben sich die verschiedenen Gremien der Regionalversammlung in 13 Sitzungen intensiv mit den Grundsatzpapieren beschäftigt und empfehlen dem Plenum mit großer Mehrheit, die Dokumente zu beschließen.“

Die Beratung und Beschlussfassung in den Ausschüssen der Regionalversammlung über jede einzelne Stellungnahme soll im Herbst starten. Der finale Beschluss über deren Bewertung und über eine nochmalige Öffentlichkeitsbeteiligung wird vermutlich im ersten Halbjahr 2024 gefasst. Mit diesem Beschluss wird dann auch der Zeitraum des zweiten Beteiligungsverfahrens festgelegt. Ziel ist es, den Plan danach von der Regionalversammlung Mittelhessen beschließen zu lassen. Genehmigt wird er letztlich von der Landesregierung.

Als weiteres großes Thema stand die Windenergie auf der Tagesordnung im Wetzlarer Kreishaus, mit Auswirkungen auf den Teilregionalplan Energie Mittelhessen. Dabei geht es um den sogenannten „Rotor-Out-Beschluss“. Der ist im Windenergieflächenbedarfsgesetz geregelt und erlaubt, dass Rotorflächen regelmäßig über die Grenze der Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie hinausragen dürfen. „Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus den umfangreichen gesetzlichen Änderungen, die die Bundesregierung seit dem letzten Jahr auf den Weg gebracht hat, um die Energiewende wirksam zu beschleunigen“, berichtete Regierungspräsident Ullrich.

Der Beschluss sei die wesentliche Voraussetzung dafür, dass die im Teilregionalplan Energie Mittelhessen ausgewiesenen Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie „voll umfänglich“ berücksichtigt werden könnten, sagte RP Ullrich: „Nämlich dann, wenn es darum geht, wie Mittelhessen – und Hessen insgesamt – den geforderten Beitrag zur Erreichung der Flächenziele für die Windenergienutzung leistet.“

Das Thema Windenergie wird die Regionalversammlung auch in der zweiten Jahreshälfte beschäftigen: „In Vorbereitung befindet sich die Vorlage für einen weiteren Beschluss“, kündigte der Regierungspräsident an. Mit ihm soll aufgezeigt werden, dass es dem Land Hessen mit den Teilregionalplänen Energie für Nord-, Mittel- und Südhessen gelungen sei, den bundesgesetzlich für Ende 2027 geforderten Flächenanteil von 1,8 Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung planerisch bereitzustellen. „Dazu trägt Mittelhessen übrigens einen großen Teil bei, weil die Regionalversammlung beschlossen hatte, mit dem Teilregionalplan Energie 2,2 Prozent der Regionsfläche als mögliche Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie auszuweisen.“

 Hintergrund: Regionalplan Mittelhessen

  • Die Festlegungen des Regionalplans beeinflussen in erster Linie die 101 Städte und Gemeinden sowie Fachbehörden bei ihren Planungen und Vorhaben. Dabei ist zwischen „Zielen“ und „Grundsätzen“ zu unterscheiden.
  • „Ziele“ lösen eine strikte Beachtenspflicht aus, können aber in einem engen Rahmen konkretisiert werden.
  • Dagegen sind „Grundsätze“ in Planungs- und Zulassungsverfahren lediglich zu berücksichtigen. Sofern gewichtige Gründe vorliegen, dürfen sie im Zuge einer Abwägung überwunden werden. Das bedeutet, dass in begründeten Fällen von der mit dem Grundsatz verbundenen Intention des Regionalplans abgewichen werden kann.
  • Eine strikt einzuhaltende Vorgabe ist insbesondere der je Kommune festgelegte maximale Wohnsiedlungs- und Gewerbeflächenbedarf. Allerdings gibt es, im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, keine Verpflichtung, diesen Bedarf während der Laufzeit des Regionalplans vollständig auszuschöpfen.
  • Hier und bei anderen Festlegungen ist der Regionalplan also nur eine „Angebotsplanung“. Um den Kommunen Spielraum für ihre Entwicklung zu geben, werden in der Regionalplankarte deutlich mehr Gebiete festgelegt, die für eine Entwicklung von wohnbaulicher oder gewerblicher Nutzung in Frage kommen, als in der Summe der maximale Bedarf zulässt.
  • Mit seinen Vorranggebietsfestlegungen für Raumnutzungen und -funktionen im Freiraum schließt der Regionalplan allerdings auch entgegenstehende Nutzungen aus. Das betrifft z.B. die Vorranggebiete für Landwirtschaft, für Natur und Landschaft und für vorbeugenden Hochwasserschutz oder die Vorranggebiete Regionaler Grünzug. Das bedeutet, dass in diesen Vorranggebieten, die die Wirkung von Zielen haben, beispielsweise eine Siedlungsentwicklung oder auch der Abbau von Rohstoffen nicht zulässig ist.

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