In Stadtallendorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf befand sich einst die größte deutsche Produktionsstätte für Sprengstoff im Zweiten Weltkrieg. Das Gelände der beiden ehemaligen Allendorfer Sprengstoffwerke (DAG und WASAG) ist infolge der Sprengstoffproduktion und -verarbeitung und der nach Kriegsende erfolgten unsachgemäßen Demontage der Betriebseinrichtungen und der „Entmilitarisierung“ der baulichen Anlagen mit sprengstofftypischen Verbindungen kontaminiert worden. Dies gilt auch für das Gelände des ehemaligen Feldflugplatzes Kirtorf sowie für die Sprengplätze „Wasserscheide“ und „Kirchenseif“, auf denen nach Kriegsende Produktionsrückstände aus den Sprengstoffwerken sowie Fund- und Beutemunition vernichtet wurden. Die altlastenverdächtige Fläche beläuft sich insgesamt auf rund zehn Quadratkilometer.
Das DAG-Gelände und das zivile der WASAG mit einer Fläche von circa 500 Hektar sind intensiv bewohnt und werden in Teilen gewerblich genutzt. In diesem Bereich konnte die Bodensanierung im Jahr 2005 abgeschlossen werden. Sanierungsbedarf besteht noch in den Außenbereichen. Der überwiegende Teil des WASAG-Geländes, der Sprengplatz „Kirchenseif“ und der ehemalige Feldflugplatz werden heute durch die Bundeswehr genutzt. Im Jahr 2006 wurden im Bereich WASAG die „orientierenden Untersuchungen“ abgeschlossen. Derzeit stehen Detailuntersuchungen und Sanierungen an.
Mit der historischen Aufarbeitung wurde 1986 begonnen. Seit 1990 wurden Untersuchungen durchgeführt, die auf großflächige Kontaminationen mit sprengstofftypischen Verbindungen (TNT, PAK und anderen Stoffen) in Boden und Grundwasser hinwiesen. Für 150 bis 200 überwiegend bewohnte Grundstücke zeigte sich Sanierungsbedarf. Das Grundwasser wurde weitgehend hydraulisch gesichert. Die im Mai 1997 begonnene Bodensanierung (erstmalig in Europa) erfolgte nutzungsbezogen im oberen Bodenmeter sowie nutzungsunabhängig in tieferen Schichten zur Sicherung des Grundwassers.
Die Sanierung der „TRI-Halde“, einer Altablagerung mit Rückständen aus der Abwasserneutralisation der TNT-Fabrik Allendorf, wurde im Jahr 2005 abgeschlossen. Mit der Aufnahme, Konditionierung und Dekontamination der thixotropen, stark ausgasenden Haldeninhaltsstoffe wurde ebenfalls technisches Neuland betreten. Boden mit einer Belastung oberhalb 80 Milligramm TNT-TE/kg Boden wurde in Deutzen (bei Leipzig) thermisch behandelt und dort anschließend verwertet. Boden mit geringerer Kontamination wurde im Untertageversatz oder in Deponien verwertet oder am Standort zurückgebaut.
Träger der Altlastensanierung ist die HIM GmbH, Bereich Altlastensanierung (HIM-ASG GmbH). Sie saniert im Auftrag des Landes, das auch die Mittel bereitstellt. Die Grundstückseigentümer sind von allen Kosten freigestellt. Mit allen Grundstückseigentümern werden öffentlich-rechtliche Verträge („Sanierungsvereinbarungen“) geschlossen, die die Rechte und Pflichten von Land und Eigentümern beinhalten sowie Details der Sanierung festlegen. Die betroffenen Grundstücke werden im Anschluss an die Sanierung auf Kosten des Landes rekultiviert.
Im März 2006 wurde die Sanierung des zivilen Bereichs des Standortes offiziell beendet. Nachsorgearbeiten dauern an; insbesondere bedarf das Grundwasser noch eines längeren Monitorings.