Benjamin Lückert

Was gegen Prüfungsangst hilft

Schweißnasse Hände, schlaflose Nächte, die Gedanken kreisen ohne Ende: Prüfungen sind für viele Menschen eine unangenehme Situation. Im Arbeitsleben aber unumgänglich. Die gute Nachricht: Gegen Prüfungsangst kann man sich wappnen. Wie? Das weiß Benjamin Lückert. Er ist Personalpsychologe.

Beim Regierungspräsidium Gießen ist er mitverantwortlich für die Konzeption, Planung und Durchführung von Auswahlverfahren. Er begleitet unzählige Vorstellungsgespräche. Stress- und Prüfungssituationen kennt der Personalexperte aus seiner täglichen Arbeit. Im Interview spricht er über das Phänomen Prüfungsangst, wie sie sich äußert und gibt Tipps, wie man lernt, mit diesem Druck umzugehen und welche Übungen dabei helfen.

Prüfungen im beruflichen Umfeld stehen immer wieder an. Viele Menschen leiden unter Prüfungsangst. Wie kann sich dies äußern?

Häufig ist es nicht die Angst vor der Prüfung oder dem Test selbst, sondern die Angst vor der Angst. Also die Befürchtung, dass ich aufgrund meiner Angst schlechter in der Prüfung abschneide. Dann sitzt man in der Prüfung, nimmt die eigene Nervosität wahr und das verstärkt wieder die Befürchtung, aufgrund der Angst schlechter abzuschneiden (Angst vor der Angst) – die Nervosität steigt weiter. Die Wahrnehmung der noch stärkeren Nervosität verstärkt wieder die Angst vor der Angst, bis man sich wie total gelähmt fühlt und gar keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. 

Betrifft diese Test- und Prüfungsangst nur junge Menschen? Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich?

Ein gewisses Maß an Angst, Stress und Nervosität ist völlig normal. Jeder ist in einer solchen Situation gestresst, manche mehr, manche weniger. Es betrifft daher nicht nur junge Menschen. Diese Angst betrifft vor allem diejenigen stärker, die wenig Erfahrung mit solchen Situationen haben. Teilweise hängt das aber vom Selbstbild und der eigenen Persönlichkeit ab. Bei Prüfungsangst im Gegensatz zur Nervosität spielt vor allem diese Angstspirale (Angst vor der Angst) eine Rolle. Das wichtigste ist: Man kann lernen, weniger gestresst zu sein und man kann lernen mit der Angst umzugehen.

Wie kann man sich am besten auf solche Situationen vorbereiten?

Man kann sich auf solche Situationen vorbereiten, indem man versucht eine möglichst ähnliche Situation zu schaffen. Also eine Prüfungssituation simuliert und beispielsweise Lernpartner eine Probeklausur vorbereiten lässt und versucht die Rahmenbedingungen so ähnlich wie möglich zu gestalten. Dann setzt man sich der Situation so aus, bis man zu dem Punkt kommt, an dem man das Gefühl hat, dass einen die Angst vollkommen überwältigt. Über diesen Punkt muss man hinausgehen. Denn tatsächlich kann die Angst nicht immer weiter steigen, irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man sich ‚daran gewöhnt‘ und die Angst wieder etwas abnimmt. Das senkt das Angstgefühl in der echten Situation, gerade wenn man diese Simulation mehrmals wiederholt und mit anderen Strategien kombiniert.

Prüfungen bedeuten für viele Menschen Stress. Wie lernt man mit diesem Druck umzugehen?

Eine Möglichkeit ist die Bewertung der Situation zu verändern, denn man kann tatsächlich lernen die eigenen Gedanken zu beeinflussen. Die stressauslösenden Gedanken, beispielsweise die Befürchtung, dass die eigene Angst die Leistung negativ beeinflusst, kann man umbewerten, indem man Stress als Teil der Prüfungssituation akzeptiert. Man kann sich ins Gedächtnis rufen, dass der Stress einfach der Situation geschuldet ist und nichts daran ändert, dass man sich gut auf die Situation vorbereitet hat. Etwa so: ‚Der Stress ist einfach Teil der Prüfung, gehört dazu. Meine Angst ist nichts weiter, als eine normale körperliche Reaktion auf die Prüfungssituation. In dem Moment kann und will ich nichts daran ändern – und ich muss auch nichts daran ändern.‘ Auch diese Umbewertung kann man einüben, sodass sie noch stärker und schneller wirkt. Die Formulierung passt man so an, dass man sich möglichst gut in der Formulierung wiederfindet. Sie muss ja für einen selbst auch glaubwürdig sein.

Es ist ganz normal nervös zu sein und die Nervosität ist einfach der Situation geschuldet.

Benjamin Lückert Personalpsychologe im RP Gießen

Gibt es Konzentrationsübungen, mit denen man sich auf die Prüfung vorbereiten kann?

Die Konzentrationsleistung kann man in einem gewissen Rahmen trainieren wie einen Muskel. Man konzentriert sich so lange, bis man das Gefühl hat, dass man sich gar nicht mehr konzentrieren kann. Wenn man dann noch ein bisschen weiter macht, verschiebt man den Punkt, an dem man denkt: ‚Jetzt kann ich mich gar nicht mehr konzentrieren‘. Man lernt gleichzeitig mit diesem Gefühl umzugehen, dass man sich kaum noch konzentrieren kann.

Haben Sie da vielleicht einen Tipp?

Ein ganz praktischer Tipp: Man kann Umgebungsreize ausblenden, indem man beispielsweise den Rest der Aufgaben mit einem anderen Blatt verdeckt. Dann springen die Augen nicht ständig zu einer anderen Aufgabe. Oder man geht mit einem Stift unter der Zeile, die man gerade liest, entlang – so wie man das früher mit dem Finger gemacht hat.

Die Konzentration hängt mit der Angst zusammen. Die Angst sorgt nämlich dafür, dass sich die eigenen Gedanken nur noch um diese Angst drehen. Wenn man es schafft, die Angst zu reduzieren, kann man sich wieder leichter auf die eigentlich wichtigen Inhalte konzentrieren.

Wie bereiten Sie persönlich sich auf Prüfungssituationen oder schwierige Gespräche vor?

Ich nutze die oben genannten Strategien alle selbst. Während des Studiums habe ich immer mit einem Freund gelernt. Nachdem wir uns die Inhalte ein paar Mal selbst angeschaut haben, haben wir danach angefangen uns gegenseitig abzufragen. Die Fragen wurden immer detaillierter und gemeiner – etwa so wie man sich den fiesesten Prüfer vorstellt. Jede Unsicherheit wurde ausgenutzt. Dagegen wirkten die Klausurfragen dann meistens sehr einfach und man hat gelernt mit dem Druck umzugehen. Bei schwierigen Gesprächen schreibe ich mir manchmal genau auf, was ich sagen möchte. Ich sage das dann natürlich nicht genau so, aber ich weiß, dass ich es bereits einmal sehr gut formuliert habe. Das beruhigt. Ich gehe die Situation und die möglichen Gesprächsabläufe, (die Reaktionen, Antworten Gegenantworten) im Kopf durch und bereit mich so darauf vor.

Wie reagieren Sie in Prüfungs- oder Einstellungssituationen, wenn Sie merken, dass ihr Gegenüber sehr nervös ist oder sich in unwohl fühlt?

Ich erkläre, dass es ganz normal ist, nervös zu sein und die Nervosität einfach der Situation geschuldet ist. Außerdem betone ich, dass Nervosität keinen Einfluss auf unsere Entscheidung hat. Wir wollen ja wissen, wie gut jemand zu einer Stelle passt und nicht wie abgebrüht jemand in solchen Einstellungsgesprächen ist.

Ich nutze sehr stark Gestik und Mimik, um zu signalisieren, dass ich das Gesagte nachvollziehen kann. Das mache ich aber eher präventiv, also auch bei Personen, die wenig oder gar nicht nervös sind.

Sie sind bei vielen Einstellungsgesprächen für unsere Behörde dabei. Kennen den Ablauf und die Prozesse. Welchen Rat können Sie den Bewerbern geben?

Der ist sehr einfach: Sich gut informieren – über die Aufgaben in der Stelle, über den Arbeitgeber, über den Gesprächsablauf. Zu diesen ganzen Themen findet man Informationen auf unserer Internetseite. Man ist dann nicht nur besser vorbereitet, sondern ist sich selbst viel eher im Klaren darüber, ob die Stelle wirklich zu einem passt.

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